Große Oper erst im dritten Akt – Puccinis „Tosca“ wieder an der Wiener Staatsoper

Tosca
Schlussapplaus nach "Tosca" an der Wiener Staatsoper © Thomas Rauchenwald

Giacomo Puccinis „Tosca“ in der Inszenierung von Margarete Wallmann mit der Ausstattung von Nicola Benois ist eine Säule im Repertoire der Wiener Staatsoper und ein absoluter Publikumsrenner.

In der 647. (!) Aufführung am 2. Februar 2024 in dieser Inszenierung dauert es jedoch bis zum dritten Akt, dass sich in Puccinis Melodramma wirklich große Oper ereignet und das lag wohl in erster Linie im immer wieder zum Schleppen neigenden Dirigat von Bertrand de Billy am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper. Der Dirigent setzt zwar stark auf die Betonung von Puccinis herb fahlen Klangfarben und elegant geschmeidige Orchesterphrasierung, die Oper ist aber auch ein Schocker, ein Thriller, der den nötigen Biss und Drive entfalten sollte, diese Aspekte bei de Billy in den ersten beiden Akten jedoch im Hintergrund bleiben und der Dirigent erst im dritten Akt auf die Herausarbeitung dramatischer Akzente setzt.

Was die Besetzung an diesem Abend anbelangt, enttäuschen die kleinen Rollen durchwegs, schwache Ensembleleistungen sind da bedauerlicherweise zu vernehmen, mit Ausnahme des starken Schließers von Stephano Park, Mitglied des Opernstudios, einem aus Südkorea stammenden, jungen Bassisten. Die ersten beiden Akte dominiert der durch und durch fiese Baron Scarpia von Erwin Schrott. Mit seinem schön timbrierten Bass setzt er mehr auf leise, verhaltene Töne denn stimmliches Protzen und wirkt damit umso mehr hinterhältiger, gefährlicher, bedrohlicher, ein Satyr wahrhaft bösartigen Ausmaßes und daher durch und durch rollenimmanent, was Gestaltung und Interpretation betrifft. Piotr Beczala als Mario Cavaradossi findet im dritten Akt zu überragender Form, „E lucevan le stelle“ wird in gewohnter Manier wiederholt, wobei die zweite Version stimmlich noch besser gelingt, und bringt der polnische Tenor sein herrlich slawisch gefärbtes Timbre in Verbindung mit ausgefeilter italienischer Gesangstechnik wunderbar zum Leuchten. Mit der aus Russland stammenden Elena Stikhina ist in der Titelrolle ein echter lirico-spinto-Sopran aufgeboten, die im Gebet im zweiten Akt – „Vissi d’arte“ – nach etwas zögerlichem Beginn vernehmen lässt, was sie kann und schließlich mit fein lyrischem wie strahlendem Sopran zu einem ungemein geformten, gelungenen Rollenporträt mit starkem Schlussakt findet. Den beiden letztgenannten Künstlern ist am Schluss auch der Jubel des Publikums sicher.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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