Zum 100. Geburtstag von Victoria de los Ángeles

Victoria de los Angeles
Victoria de los Àngeles als Elisabeth in "Tannhäuser" bei den Bayreuther Festspielen © Bayreuther Festspiele

Jüngeren Musikfreund*innen wird sie wahrscheinlich nicht mehr so ein Begriff sein, Victoria de los Ángeles López García, die spanische Sängerin, geboren am 1. November 1923 in Barcelona geboren, am 15. Januar 2005 ebendort gestorben, die ihren Vornamen als Künstlernamen verwendete.

Auf der Opernbühne zu erleben war sie am Gran Teatre de Liceu in ihrer Heimatstadt Barcelona, am Royal Opera House Covent Garden London, am Teatro alla Scala Mailand, bei den Bayreuther wie den Salzburger Festspielen und gehörte bis 1961 dem Ensemble der Metropolitan Opera New York an. Zusammen mit dem großen schwedischen Tenor Jussi Björling, mit dem sie sehr häufig aufgetreten ist, bildete sie ein Traumpaar der Oper.

Zu ihren größten Rollen zählten – neben der Titelrolle in „Carmen“ von Georges Bizet – Mimi in „La Bohéme“ und Cio-Cio-San in „Madama Butterfly“ von Giacomo Puccini, die Titelrolle in „Manon“ von Massenet sowie Marguerite in „Faust“ von Charles Gounod. In einem Atemzug mit Opernlegenden wie Maria Callas und Joan Sutherland genannt, zählte sie zu den am meisten gefeierten Sängerinnen des 20. Jahrhunderts; ihre Sopranstimme war von einem lichtdurchflutet warmen, engelhaft sanften Ton gekennzeichnet.

Warner Classics hat jetzt anlässlich ihres 100. Geburtstages eine insgesamt 59 Compact Discs umfassende Edition, 5054197529283, veröffentlicht, worin neben 21 vollständigen Opern auch zahlreiche Arien, auch aus Zarzuelas, und Lieder enthalten sind, wobei diese Box vor allem für Liebhaber*innen des spanischen Liedes eine wahre Fundgrube darstellen dürfte. Dokumentiert sind darin glücklicherweise alle ihre großen Rollen in Gesamtaufnahmen: „Manon“ 1955 mit Legay unter Cluytens, „La bohéme“ 1956 mit Björling unter Beecham, „Madama Butterfly“ 1959 mit Björling unter Santini, „Faust“ 1958 mit Gedda und Christoff unter Cluytens sowie „Carmen“ mit Gedda unter Beecham.

Ihre Leidenschaft für das spanische Liedgut vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert spiegelt sich in einer Erklärung von Victoria de los Àngeles gegenüber der „New York Times“ wider: „Spanische Musik ist nicht intellektuell wie die deutsche. Sie muss genossen und tief empfunden werden – aber auch nie übertrieben, denn es ist eine sehr empfindsame Musik.“ Attribute wie tief empfunden, natürlich, empfindsam – diese charakterisieren auch das Singen der großen lyrischen Sopranistin.

Erwähnen möchte ich unbedingt noch die Einspielungen von Claude Debussys „Pelléas et Melisande“ 1954 mit Souzay unter Cluytens, Jules Massenets „Werther“ 1959 mit Gedda unter Pretre und Henry Purcells „Dido und Aeneas“ 1965 mit Harper unter Barbirolli, alle drei sind ebenfalls in der Warner-Box enthalten, bei MYTO sollte noch ein Mitschnitt von Wagners „Tannhäuser“ mit Bumbry, Windgassen und Fischer-Dieskau unter Sawallisch aus Bayreuth 1961 erhältlich sein, und stellen diese gelungenen Rollenporträts auch die enorme Vielfältigkeit dieser seelenvollen Künstlerin unter Beweis.

Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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