Zu Beginn der neuen Saison 2025/26 gibt’s an der Wiener Staatsoper eine Serie von Richard Wagners TANNHÄUSER in der aktuellen Neuinszenierung vom Mai dieses Jahres.
„Tannhäuser stellt den Kampf zweier Prinzipien dar, die das menschliche Herz als ihr Hauptschlachtfeld gewählt haben: Fleisch gegen Geist, Hölle gegen Himmel, Satan gegen Gott.“, wie es Charles Baudelaire drastisch formuliert hat. Zudem handelt es sich bei „Tannhäuser“ um ein Künstlerdrama reinen Grades, in der Figur des sündigen Minnesängers und mittelalterlichen Outlaws hat sich Richard Wagner selbst gesehen, wohl mit ein Grund, weshalb ihn gerade diese große romantische Oper in drei Aufzügen ein Leben lang beschäftigte. „Ich bin der Welt noch einen Tannhäuser schuldig“, beharrte Wagner noch gegen Ende seines Lebens. Im Haus am Ring wird das Werk in der Wiener Fassung von 1875 gespielt.
Was die Leistungen von Chor und Orchester der Wiener Staatsoper in der Aufführung am 14. September 2025 betrifft, darf man im Wagner-Glück schwelgen. Thomas Lang hat den Chor perfekt für seine wunderbare Aufgabe präpariert. Axel Kober am Pult des in allen Gruppen blendend aufgestellten Orchesters dirigiert exzellent, setzt vollends auf Drive, Zug und Sogkraft dieser Partitur, und ist im Ergebnis eine höchst differenzierte, nuancenreiche, leidenschaftlich drängende Wiedergabe zu hören.
Nach etwas zögerlichem Beginn und in den ersten beiden Akten nicht immer sicher klingend, sitzt die helle, kernige, eher hell timbrierte Stimme des US-amerikanischen Tenors Clay Hilley im dritten Akt dann bestens im Fokus. Als krönenden Abschluss gibt es eine trotzig heftige, mit zynischer Wut vorgetragene Romerzählung, hervorzuheben ist die enorme Wort- und Textdeutlichkeit Hilleys. Camilla Nylund als Elisabeth ist an diesem Abend eine Offenbarung in der Rolle der Elisabeth: groß, stark, mit leuchtenden Höhen wie feinen Tönen gestaltet sie vollends die Partie der Elisabeth, so hat man das lange nicht im Haus am Ring gehört. Ekaterina Gubanova als im Ergebnis schillernde Venus sorgt, nach etwas schwächelndem Beginn, in den satten Tiefen und der herrlichen Mittellage für Gänsehautmomente, auch in den Höhen gewinnt ihre schön timbrierten Mezzostimme im Laufe des Abends mehr und mehr an Sicherheit. Wieder für Ludovic Tezier eingesprungen ist Martin Gantner als Wolfram von Eschenbach und ringt der seinem Charakterbariton kantables, um feinste Phrasierung bemühtes Singen förmlich ab, man kann diese Leistung nicht hoch genug schätzen. Georg Zeppenfeld gibt einen warmen, bassstarken, imposant mächtigen, differenzierten Landgrafen. Aus dem Ensemble ragen Ilia Staple als junger Hirt und Jörg Schneider (Walter von der Vogelweide) heraus, die übrige Besetzung ist rollendeckend.
Die Neuinszenierung von Lydia Steier, die den zwischen hoher Minne und purer Leidenschaft schwankenden Künstler Tannhäuser als einen „Rockstar auf Tour“ versteht, ist opulent, farbenprächtig und überzeugt – Meinungen zufolge – selbst Menschen, die sich bisher nicht mit Wagner auseinandergesetzt haben. Manche behaupten sogar, dass wenn Wagner Filmmusik geschaffen hätte, hätte so der entsprechende Streifen ausgesehen. Gesetzt wird überwiegend auf spektakuläre Bühnenbilder und Showeffekte, man glaubt sich eher in einem Musical am Broadway denn im ernsthaften Musiktheater, das eine Geschichte, eine Handlung, psychologisch fundiert aus Text und vor allem der Musik entwickelt. Personenführung und Personenregie leiden an zu übertriebener Mimik wie ausufernden Gesten, weniger wäre hier deutlich mehr gewesen. Unterstützt von Momme Hinrichs (Bühne und Video), Alfred Mayerhofer (Kostüme), Elena Siberski (Licht) sowie Tabatha McFayden (Choreografie und Regiemitarbeit) führt uns die Regisseurin in drei Welten – im ersten Akt in eine schillernde Varietè-Athmosphäre mit einer Unzahl an bizarren Figuren, der Auftritt der Liebesgöttin als attraktive Varietè-Diva im Halbmond von der Decke schwebend gerät allerdings grandios. Der zweite Akt führt in die kalte, verklemmte Wartburg-Welt und erinnert an einen Song-Contest oder Superstar-Show, wo die Minnesänger, in mittelalterlichen Kostümen mit lächerlichem Touch, in Wettstreit treten. Der dritte Akt gerät dann nur noch desolat, zu sehen ist ein öder (Medien-)Raum, eine Fernseh-Installation zeigt eine schmerzgebeugte Marienfigur. Nachdem der Sarg mit der Leiche Elisabeth weggetragen wird, hoch oben auf beiden Seiten der Bühne das Grün sprießt, erscheint Elisabeth leibhaftig, erweckt den totgeglaubten Tannhäuser, die beiden ziehen glücklich von dannen: das Ende gerät rührselig. Sollte das Motto „Keine Angst vor Richard Wagner“ lauten?
Das Publikum feiert am Ende zu Recht die Ausführenden des Abends lautstark.