Verdis Genueser Doge – herausragend im Repertoire der Wiener Staatsoper

George Petean (Simon Boccanegra) und Federica Lombardi (Amelia Grimaldi) © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Die Inszenierung von Peter Stein zu Giuseppe Verdis Melodramma in einem Prolog und drei Akten mit dem Libretto von Arrigo Boito, welches dem Werk shakespear’sche Größe verleiht, ist glücklicherweise noch immer im Repertoire der Wiener Staatsoper zu sehen und überzeugt in ihrer düsteren, dunklen Größe und packenden Intensität auch in der 96. Aufführung am 8. April 2024 vor allem durch ihre ganz aus der großartigen Musik entwickelte Personenführung. Großen Anteil an der herausragenden Qualität dieser Regiearbeit in stimmig plastischem Licht haben auch das dezente Bühnenbild (Stefan Mayer) und die einnehmend schönen Kostüme (Moidele Bickel).

Musikalisch geht es an diesem Abend hoch her im Haus am Ring, steht doch eine exzellente Besetzung für Verdis Spätwerk, das unter Kennern als seines seiner besten, gewiss eines der edelsten gilt, auf der Bühne. Starkes Profil verleiht Clemens Unterreiner mit seinem kräftigen Bariton dem Intriganten Paolo, nicht ganz auf dieser Höhe agiert Evgeny Solodovnikov als Pietro. Eine Freude ist die Entwicklung des italienisch-britischen Tenors Freddie de Tommaso, der als Gabriele Adorno seinen leicht metallisch gefärbten Tenor vor allem in der tiefen und der mittleren Lage frei strömen lässt. Bei steter Weiterentwicklung wird auch die Höhe noch an nötiger Fülle dazugewinnen und steht einer Weltkarriere dieses Sängers nicht mehr im Wege. Als Fiesco überzeugt Kwangchul Youn mit noch immer mächtigem Bass, Würde und Erhabenheit ausstrahlend, über jene Unerbittlichkeit verfügend, welche die Rolle verlangt, als echter Gegenspieler des Genueser Dogen. Federica Lombardi lässt eine erstklassige Leistung als Amelia vernehmen: Ihr sahnig cremiger, wohl timbrierter, in allen Lagen hervorragend geführter, differenzierter Sopran ist eine Wonne für die Ohren; bei vorsichtiger, überlegter Entwicklung sind die großen Sopranpartien von Verdi nicht mehr weit. In der Titelrolle kurzfristig für den ursprünglich vorgesehen Luca Salsi eingesprungen ist der rumänische Bariton George Petean, der ein ergreifendes, berührendes Rollenporträt erleben lässt – mehr mit balsamischem, wunderbar phrasierendem Legatogesang als liebender Vater und alter, vom Gift gezeichneter Doge denn als auftrumpfender Korsar oder als Herrscher in den Ansprachen vor dem versammelten Rat. Der von Thomas Lang einstudierte Chor der Wiener Staatsoper steuert präzisen, homogenen Chorgesang bei.

Am Pult des in allen Instrumentengruppen gewohnt sehr gut disponierten Orchesters der Wiener Staatsoper ist Marco Armiliato den SängerInnen nicht nur ein aufmerksamer, unterstützender Begleiter, sondern setzt auch als Gestalter die nötigen starken, dramatischen Akzente; sein breit fließendes Musizieren gerät wie aus einem Guss. Am Schluss gibt es vom Publikum heftige Beifallskundgebungen für alle Ausführenden.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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