Wir blicken zurück. Vor zehn Jahren, im Dezember 2015, hätte DIE SACHE MAKROPULOS – nach KATJA KABANOVA, AUS EINEM TOTENHAUS und DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN – die letzte Oper in einem vom damaligen Musikdirektor Franz Welser-Möst geleiteten Janàcek-Zyklus an der Wiener Staatsoper sein sollen. Nachdem der Dirigent von Weltformat zwischenzeitlich alles im Haus am Ring hingeschmissen hatte, die Gründe waren nachvollziehbar, hatte der junge Jakub Hrusa die Premiere – gleichzeitig die Erstaufführung dieses grandiosen Werkes an der Wiener Staatsoper überhaupt – dirigiert. Nach der Premierenserie mit fünf Vorstellungen ist das Werk dann wieder vom Spielplan verschwunden, um am 30. November 2025 zur Wiederaufnahme mit vielen Rollendebüts zu gelangen.
Die Inszenierung von einem der großen Theatermagier überhaupt, Peter Stein, mit Bühnenbild von Ferdinand Wögerbauer, Kostümen von Annamaria Heinreich, Maske von Cecile Kretschmar und Licht von Joachim Barth ist naturgemäß werkimmanent naturalistisch, ein nahezu detailbesessenes Kammerspiel, gemahnend an Strindberg oder Tschechow, mit einer Personenregie und Personenführung, die an Subtilität wahrscheinlich nicht zu überbieten ist. Stein ordnet die Szene ganz der Musik unter, welche Wohltat, keine Rahmen- und Parallelhandlungen bzw. Um- oder Neudeutungen, unterstützt von aufgesetzten Choreografien, sehen zu müssen. Hervorzuheben sind auch die hervorragenden schauspielerischen Leistungen der SängerInnen.
Jede Aufführung von VEC MAKROPULOS, der vorletzten Oper in drei Akten von Leos Janàcek mit dem Text vom Komponisten, basierend auf der Komödie von Karel Capek, steht und fällt mit der Besetzung der Hauptrolle, Emilia Marty. Marlis Petersen erweist sich diesbezüglich als Glücksfall. Hart und zynisch ist diese Frau, hat aber immer wieder auch große, gefühlvolle Momente. Dieses Wechselspiel an Emotionen setzt sie darstellerisch wie gesanglich bewegend an diesem Abend um. Zum Höhepunkt der Aufführung – und des Werkes, es muss so sein – gerät ihr großer Schlussmonolog, wo sie mit ihrem bisweilen scharfen Sopran nicht nur berührt, sondern auch gleißend singt, dass das Blut in den Adern zu gefrieren scheint.
Die übrige Besetzung ist rollendeckend bis sehr gut, herausragend aus dem Ensemble der präsente Baron Jaroslav Prus von Bo Skovhus als ein echter Gegenspieler der Marty, der markante, bassstarke Dr. Kolenaty von Wolfgang Bankl und der beißende Tenor des alten Hauk-Sendorf von Matthäus Schmidlechner. Ansonsten die üblichen, rollenimmanent schwächelnden Tenöre bei Janàcek – Pavel Cernoch als Albert Gregor, Carlos Osuna als Janek Prus und Lukas Schmidt als Vitek. Unauffällig die übrigen – Alma Neuhaus (Christa), Marcus Pelz (Maschinist), Teresa Sales Rebordao (Aufräumerin) und Anita Monserrat (Kammermädchen). Der am Schluss aus dem Zuschauerraum singende Herrenchor der Wiener Staatsoper ist von Martin Schebesta gut präpariert.
Die musikalische Leitung am Pult des alle seine Vorzüge ausspielenden Orchesters der Wiener Staatsoper liegt in den Händen eines Experten für die Musik des mährischen Komponisten, Tomas Hanus. Der setzt in den ersten beiden Akten auf die lyrisch fließenden, weichen Seiten von Janáceks Partitur, mitunter könnte die Musik da etwas mehr an Biss vertragen. Im dritten Akt, wo die hymnisch gesteigerte Musik, von tiefer Leidenschaft geprägt, ihre letzten Stadien erreicht, kommen auch die nötige kantige Härte und unerbittliche Schärfe dazu – so wie’s sein soll bei der Wiedergabe einer Musik, die wohl zur bedeutendsten des 20. Jahrhundert zu zählen ist.
Ein Wort noch zum Ablauf des Abends. Ab KATJA KABANOVA haben alle Opern Janàceks nur mehr Spielfilmlänge und sollten unbedingt pausenlos gegeben werden. Die Pause nach dem zweiten Akt unterbricht bedauerlicherweise nur Fluss und Sog dieser Musik, deren Spannung ständig gesteigert wird, und bedeutet einen Wermutstropfen bei einer überwiegend gelungenen Aufführung.