NORMA an der Wiener Staatsoper mit ausgezeichneten Stimmen

Lidia Fridman als tolle NORMA an der Wiener Staatsoper © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

„Norma“, die tragische Oper in zwei Aufzügen, mit der Musik von Vincenzo Bellini und dem Text von Felice Romani, uraufgeführt 1831 an der Mailänder Scala mit Giuditta Pasta in der Titelrolle, steht, nach der Premierenserie im Februar/März dieses Jahres, nun in geänderter Besetzung in zwei Hauptrollen wieder auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper. Das großartige Werk verfügt neben lyrisch übersteigerten, langen, elegischen Melodien bereits auch über starke Ansätze eines echten Musikdramas im Sinne Richard Wagners.

Stets im Rahmen der Belcanto-Anforderungen verlangt die Titelpartie – die einzige wirklich dramatische Partie Bellinis – eine mächtige, kontrollierte, heroische und dunkle Sopranstimme, ausgestattet mit vollendeter Koloratur, also einen echten soprano drammatico d‘agilità. Da diese Oper im Grunde zu viel von einer Sopranistin verlangt, kann es eine vollkommene Interpretin, die alle Nuancen und Erfordernisse dieser archaisch-tragischen Rolle erfasst, nicht geben.

Dennoch ist am Abend des 20. Mai 2025 eine Sängerin zu erleben, ja zu bewundern, die, obwohl noch in jungen Jahren, mit ihrer üppigen, bereits reifen, mysteriös dunkel timbrierten Stimme nahezu brilliert. Größte Dramatik, unglaublich emotionale Ausdrucksmöglichkeiten und eine hervorragende Belcanto-Technik stehen der russischen Sängerin Lidia Fridman zur Verfügung, zudem vermag sie mit bruchloser Registerverbindung zu phrasieren, die Koloraturen wirken sicher und gestaltet sie die Rolle bereits mit einer ungeheuren, rollenimmanenten Majestät und Würde, sodass ihr ein ergreifend gestaltetes, bewegendes Rollenporträt zu attestieren ist. Klang die Stimme bei „Casta diva“ noch etwas belegt verhangen, geraten das Terzett mit Adalgisa und Pollione am Ende des ersten Aktes sowie im zweiten Akt das Duett mit Pollione „In mia man alfin tu sei“ und das Finale zu den Höhepunkten ihrer Interpretation und der ganzen Aufführung.

Sollte die Partie der Adalgisa korrekterweise auch mit einem soprano lirico besetzt sein, oder zumindest sopranhaft klingen, wird sie, wie üblich, auch im Haus am Ring von einem klassischen Mezzosopran gesungen. Die ebenfalls aus Russland stammende Vasilisa Berzhanskaya verfügt über eine hervorragend geführte Mezzosopranstimme mit sicher fundiertem Grund, welche die Partie hervorragend ausfüllt. Hervorzuheben ist, dass sich in den beiden Duetten zwischen Norma und Adalgisa die beiden Stimmen auf wunderbare Weise mischen. Einen höchst dramatischen, mit metallischem Timbre ausgestatteten, enorm starken Pollione gibt der britisch-italienische Tenor Freddie de Tomaso. Balsamisch sanft mit echtem basso-cantabile singt Ildebrando d’Arcangelo den Oroveso, in den kleinen Rollen gefallen aus dem Ensemble Anna Bondarenko als Clotilde und Hiroshi Amako als Flavio.

Martin Schebesta hat den Chor sehr gut für seine schöne Aufgabe vorbereitet. Bellinis pulsierenden, langen, schwebenden Melodien und Melodiebögen sowie die Dramatik der Musik könnten akzentuierter, straffer und kantiger, auch schwungvoller, musiziert werden als an diesem Abend von Antonio Fogliani mit dem Orchester der Wiener Staatsoper, der allzu willkürlich gesetzte Tempi wählt.

Nachdem er für Hermès Modeschauen und mit Isabelle Adjani Theaterstücke inszeniert hat, wurde der französische Regisseur Cyril Teste nach „Salome“ auch mit der Inszenierung von „Norma“ an der Wiener Staatsoper betraut. Die gallische Oberpriesterin und Seherin ist bei ihm eine Partisanin im Blümchenkleid und Sturmmantel, der römische Besatzer Pollione erinnert an einen Postfaschisten. Für die unauffällige Bühne verantwortlich ist Valèrie Grall, für die überwiegend bunten Kostüme Marie la Rocca. Ödes, eher belangloses Stehtheater regiert leider bereits in der achten Aufführung dieser Inszenierung, die jegliche psychologisch fundierte Personenführung und Personenregie vermissen lässt. Sehr gelungen sind das handlungsunterstützende Video-Design (Mehdi Toutain-Lopez) und ein bisweilen famoses Licht (Julien Boizard). Zu Recht starker Applaus für die SängerInnen am Ende der Aufführung.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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