„Ich habe eben meine Achte vollendet. Es ist das größte, was ich bis jetzt gemacht habe, und so eigenartig Inhalt und Form, daß sich darüber garnicht schreiben läßt. Denken Sie sich, daß das Universum zu tönen und zu klingen beginnt. Es sind nicht mehr menschliche Stimmen, sondern Planeten und Sonnen, welche kreisen. …“ – schrieb Gustav Mahler an den Dirigenten Willem Mengelberg im August 1906 über seine im September 1910 von ihm selbst in München uraufgeführte Symphonie Nr. 8 Es-Dur in zwei Sätzen für großes Orchester, acht Solisten, zwei gemischte Chöre und Knabenchor. Die Erstaufführung des bombastischen Werkes in gigantischer Besetzung im Wiener Konzerthaus fand dann im September 1921 mit dem Wiener Sinfonie-Orchester, den heutigen Wiener Symphonikern, unter Bruno Walter statt. Formell handelt es sich bei dem eigentümlichen Werk um eine Art kantatenhaftes Oratorium mit überleitenden instrumentalen Stellen, wobei im ersten Teil der gregorianische Pfingsthymnus „Veni, creator spiritus“ („Komm, Schöpfer Geist“) des Hrabanus Maurus, im zweiten Teil die Schlussszene aus „Faust. Der Tragödie zweiter Teil“ von Johann Wolfgang von Goethe vertont ist.
Der erste Teil ist von Mahler als rauschhaft gesteigertes Dauerespressivo komponiert, dominiert von einem beinahe ohrenbetäubendem Fortefortissimo – Philippe Jordan und die am Abend des 9. November 2024 in allen Instrumentengruppen hervorragend aufgestellten Wiener Symphoniker lassen im Verein mit den Chormassen im Wiener Konzerthaus diese Musik auch so klingen, die Schallwellen überfluten das Publikum im Saal wie monströse Meereswogen in atemberaubender Intensität.
Weitaus differenzierter kommt dann der zweite Teil daher, wo die durchgehend monumentale Wirkung des ersten Teiles nachlässt. Nach einem spannend wie weihevoll musizierten Orchestervorspiel, wo Jordan mit der Formation alle Register erfüllten Orchesterspiels zieht, gesellen sich zu den drei Chören – Wiener Singverein, Einstudierung: Johannes Prinz, Wiener Singakademie, Einstudierung: Heinz Ferlesch, Wiener Sängerknaben, Einstudierung: Manuel Huber und Oliver Stech – noch acht ausgewählte, prominente SolistInnen dazu, um den für die Singstimmen höchst anspruchsvollen Schluss von Goehtes „Faust II“ eindrucksvoll vorzutragen. Gesanglich den stärksten Eindruck hinterlassen dabei Elisabeth Teige mit großer, wunderbar geführter Sopranstimme und Christopher Maltman mit starkem, kräftigem Bariton. Daneben sind noch Johanni van Oostrum und Regula Mühlemann (Soprane) aufgeboten, Tanja Ariane Baumgartner (Mezzosopran), Noa Beinart (Alt), Benjamin Bruns (Tenor) und Tareq Nazmi (Bass). Die Chöre singen prächtig schallend wie fein differenziert, mitunter wäre sowohl bei den SolistInnen wie auch bei den Chören etwas mehr an einer wortdeutlichen Artikulation zu feilen gewesen. Philippe Jordan bändigt die opulenten Massen souverän, mit forsch straffem Zugang wie gleichsam wilder wie lichter Expressivität, wie es Mahler in seinem von ihm über den Maßen geliebten Werk wohl vorgeschwebt haben mag, lässt aber auch die ausgefeilte Polyphonie und feine Instrumentierung der kolossalen Komposition zur Geltung kommen, weshalb er zu Recht vom Publikum am heftigsten von allen Mitwirkenden akklamiert wird.