Dieses Werk, ein Hauptwerk des Symbolismus, gilt als schwierig umzusetzen und als schwierig aufzunehmen, das Drame lyrique in fünf Akten, PELLÈAS ET MÈLISANDE, mit der Musik von Claude Debussy, nach dem Text von Maurice Maeterlinck, uraufgeführt im April 1902 in der Opèra-Comique in Paris. Die einzige vollendete Oper dieses Meisters des musikalischen Impressionismus steht daher eher selten auf den Spielplänen. Die Wiener Staatsoper setzt das Stück nun als Wiederaufnahme einer Produktion, die bereits im Juni 2017 zur Premiere kam, auf ihren Spielplan.
Dominant in der Inszenierung von Marco Arturo Marelli, der auch die Bühne und das Licht kreiert hat, ist, ganz Debussys Werk entsprechend, das Element des Wassers, das für die Finsternis, das Fremde, das Versteckte wie das Unergründliche der menschlichen Seele steht und sich, ganz im Einklang mit dem herrlich lyrischen Fluss der vielschichtigen Musik, in allen Nuancen im Bühnenbild spiegelt. Schauplatz des Geschehens bei Marelli ist ein von hohen Steinquadern beherrschter Raum, an die Kirche am Georgenberg von Fritz Wotruba gemahnend – Kammern, Räume und Flächen für menschliche Seelenregungen wie tiefste seelische Abgründe. Die ganz aus der Musik entwickelte Inszenierung mit ihrer unaufdringlichen, psychologisch fundierten Personenregie entfaltet immer noch einen hohen ästhetischen Wert, besonders stimmig gerät die bisweilen sphärisch magische Lichtregie. Dagmar Niefind hat die unspektakulären, passenden Kostüme entworfen.
Wie bei der Premiere 2017 steht in der aktuellen Serie Alain Altinoglu am Pult des in allen Gruppen hervorragend abgestimmten Orchesters der Wiener Staatsoper. Diese Musik, den Verstand wie Herz und Seele gleichsam streichelnd, entfaltet unter seiner behutsam souveränen Leitung voll ihr ganzes fließendes Melos: auf und abschwellend, bisweilen zu mächtiger Intensität grandios von Altinoglu gesteigert, kammermusikalisch subtil ziseliert wie ungemein dramatisch aufgeladen und nach etwas zögerlichem Beginn höchst spannend entfaltend. Meisterhaft erfüllt dieser Dirigent, der hoffentlich nun wieder öfters im Haus am Ring zu erleben sein wird, seine diffizile Aufgabe, die impressionistische Klangpracht dieser eigentümlichen Partitur luzid mediterran zu durchleuchten und transparent zu analysieren, ohne dabei das Dunkle und Geheimnisvolle zu vernachlässigen, was die Sehnsüchte und Seelenqualen der handelnden Figuren charakterisiert. Dirigent und Orchester gelingt in der Aufführung am 30. Oktober 2025 eine Leistung vom Allerfeinsten, HörerInnen von Tonträgern mag dieses Dirigat ansatzweise an große Interpreten des Werkes wie Ernest Ansermet, Andre Cluytens oder Pierre Boulez erinnern.
Exzellent ist auch die Besetzung an diesem Abend, die Stimmen sind vorbildlich vollkommen in den schimmernd leuchtenden Orchesterklang eingebettet. Neben dem mit feinherbem Melos singendem Mezzosopran von Kate Lindsey als ausgeprägt rollenimmanent unwirklicher Melisande überzeugt Rolando Villazon mit schmelzreichem, lyrisch zartem Tenor als Pelleas; deren beider vorbildlich geführte Stimmen mischen sich auch bezaubernd schön. Stark überzeugend auch der kernig helle Bariton von Simon Keenlyside als Golaud, hervorragend Jean Teitgen als Arkel mit echt französischem Basse chantante, rollendeckend Zoryana Kushpler als Genevieve, aufhorchen mit einer ungemein präsenten Gestaltung des Yniold lässt Hannah-Theres Weigl aus dem Opernstudio des Hauses.
Bei aufmerksamem Hören wie adäquater Umsetzung ist das Werk imstande, einen starken, eigenartigen Sog zu entwickeln, was an diesem starken Abend gelingt, und das Publikum bewegt in einen milden, spätherbstlichen Abend entlässt.