Die erste Premiere im neuen Jahr am 25. Januar 2025 am Musiktheater Linz gilt Richard Wagners – am 2. Januar 1843 am Königlichen Hoftheater in Dresden uraufgeführter – romantischer Oper in drei Aufzügen „Der fliegende Holländer“, in der Fassung aus 1842, mit dem Erlösungsschluss aus 1880.
Abseits jeglicher Schauerromantik inszeniert Intendant Hermann Schneider das Werk, die Regiearbeit fasziniert aber von Beginn an mit einer abgründigen Dämonie, trotz der Tatsache, dass der Regisseur dem Stück eine neue Deutung angedeihen lässt. Während eines Seesturmes hat die mutterlos bei ihrem Vater Daland, einem Seefahrer und Kneipenwirt, aufwachsende Senta – dass die Inszenierung Senta in den Fokus rückt, ist nicht neu – ein traumatisches Erlebnis: Von einer Schiffskatastrophe angespülte Leichen werden zwecks Identifikation in der Kneipe gelagert, einer davon kann nicht sterben, sie macht ein Foto von dem Mann: der Holländer, der ewig auf dem Meer umherirrt. Als ihr Vater mit dem Holländer zurückkehrt, erkennt sie den Mann, gelangt am Schluss zu eigenem Selbstbewusstsein und opfert sich nicht für die gespenstische Figur des namenlosen Holländers. Mag das auch nicht zum verklärend verklingenden Erlösungsschluss passen, die Erlösung des Holländers durch den Suizid Sentas im Meer findet in dieser Neuproduktion also definitiv nicht statt, gelingen Schneider, unterstützt von Dieter Richter (Bühne) und Meentje Nielsen (Kostüme), doch ungemein eindringliche, zwingende Bilder – in Kombination mit einer überzeugenden Personenregie und deutlich klaren Personenführung. Und auch wenn man das Inszenierungskonzept und die überwiegend gelungene szenische Umsetzung von Wagners Frühwerk nicht goutieren kann oder will, lohnt der Besuch im Musiktheater Linz wieder einmal vor allem wegen der musikalischen Seite.
Markus Poschner und unter seiner Leitung das an diesem Premierenabend sehr gut aufgestellte Bruckner Orchester Linz entfalten bereits in der Ouvertüre genau jenen beispiellosen Sog, den dieses Werk auszeichnet und der an diesem Werk so fasziniert. Das pausenlos gespielte Stück musiziert Poschner werkimmanent als Naturereignis höchster Intensität gleich einem seelischen Sturm, der fürchterlich wie gleichsam lebensbedrohend daherkommt. Derart vom Pult aus immer das Geschehen auf der Bühne im Blick, ergänzen sich Musik und Szene, greifen ineinander, und kommt Wagners balladenartiges Werk modern, als cineastisches Musiktheater, daher. Und kann das Musiktheater Linz auch mit einer gediegenen Besetzung aufwarten. Aus dem Ensemble überwiegend überzeugend besetzt sind Michael Wagner (Daland), Manuela Leonhartsberger (Mary), Jonathan Hartzendorf (Steuermann) und, mit Abstrichen, Matjaz Stopinsek (Erik). Ensemblestütze Erica Eloff konnte krankheitsbedingt die Senta bei der Premiere nicht singen, kurzfristig eingesprungen ist ein Shootingstar unter den jungen Sopranistinnen, die aus München stammende Dorothea Herbert, die nach nervösem Beginn in der Ballade, wer mag ihr das ob der Umstände verübeln, zu einer leidenschaftlich bewegenden, schwebenden Gesangsleistung findet. Ein facettenreiches Bild des Holländers ist Aris Argiris zu attestieren, der mit gesang- wie klangvollem Bariton diese einnehmende Leidensfigur Wagners mit stark differenzierter Dynamik und großer stimmlicher Bandbreite auszustatten weiß: Bitterkeit, Schmerz und Zynismus prägen diese überzeugende Rollengestaltung. Und last but not least zeichnen sich der Chor des Landestheaters Linz, einstudiert von Elena Pierini, und der Extrachor des Landestheaters Linz, einstudiert von David Barnard, durch prächtig gestaffelten, differenzierten Chorgesang aus.