Schwere Kost – ganz leicht: Pierre-Laurent Aimard mit Ligeti im Mozarteum

Die Salzburger Festspiele programmieren dieses Jahr anlässlich des 100. Geburtstages des österreichisch-ungarischen Komponisten György Ligeti mit der Reihe „Zeit mit Ligeti“ einen Schwerpunkt zum Werk des Komponisten, der als einer der bedeutenden Tonsetzer des 20. Jahrhunderts und als Repräsentant der Neuen Musik gilt.

Pierre-Laurent Aimard, ein ausgewiesener Spezialist für zeitgenössische Musik, widmet sich im Rahmen seines Solistenkonzertes am 30. Juli 2023 im Großen Saal der Stiftung Mozarteum ganz den Klangwelten dieses großen Avantgardisten und präsentiert an diesem pausenlosen Abend dem Publikum alle drei Bände dessen zwischen 1985 und 2001 entstandenen „Etudes pour piano“.

Stellen die Klavieretüden Ligetis für Interpreten wie Publikum gleichsam eine hochkomplexe Herausforderung dar und zählen sie zu den großartigsten Werken, die überhaupt für das Klavier existieren, setzt sich aber nicht jeder Interpret mit diesen Meilensteinen zeitgenössischer Klavierliteratur auseinander. Aimard tut dies schon lange und ist mit seinem Spiel, das keine technischen Grenzen oder Schwierigkeiten zu kennen scheint, in der Lage, die drei Bände in einer Selbstverständlichkeit vor den Hörenden auszubreiten, sodass ihm höchster Respekt für diese Wiedergabe zu zollen ist und das Publikum am Schluss auch ehrlich wie höchst begeistert ist.

An die chronologische Reihenfolge der Werke hält sich Aimard, ausgebildet von Yvonne Loriot, der zweiten Ehefrau von Olivier Messiaen, heute Professor an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und am Pariser Konservatorium, dabei nicht. Der Abend beginnt mit dem dritten Buch, wo der Komponist zusätzliche neue Wege beschreitet, setzt mit dem für seine Polyrhythmik beispielhaften ersten Band fort und schließt mit dem an Vertiefung und Ausdifferenzierung reichen zweiten Band – wohl auch, weil nach der Etude XIV „Coloana infinita“, dem Schlussstück von Deuxieme livre, für die Pianist*innen ganz besonders schwer zu bewältigen, nichts mehr kommen kann.

Ligetis illusionäre Räume werden von Aimard an diesem denkwürdigen Abend, bei dem auch einer der großen Pianisten des 20. Jahrhunderts, Alfred Brendel, zugegen war, mit höchster manueller Virtuosität fast schon spielerisch vermittelt, wobei dem Künstler höchste gedankliche Durchdringung der Werke zu attestieren ist und er eine immense Ausdruckskraft erzielt.

Bei derartigen Konzerten muss niemand Angst vor neuen Tönen haben und ist den Salzburger Festspielen für die Programmierung dieser Reihe nur zu danken.

Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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