Das Augustiner-Chorherren Stift St. Florian in Oberösterreich ist ein mystischer, kontemplativer Ort. Eine Aufführung einer Symphonie von Anton Bruckner in der Stiftsbasilika, wo der Komponist unter der mächtigen Orgel auch seine letzte Ruhestätte gefunden hat, gerät immer wieder zu einem ganz besonderen Erlebnis – so auch am 4. Juli 2025 im Rahmen der diesjährigen Oberösterreichischen Stiftskonzerte, wo Markus Poschner das Bruckner Orchester Linz mit Bruckners Symphonie Nr. 3 d-moll WAB 103 dirigiert.
Poschner verwendet die viel zu selten gespielte zweite Fassung von 1877/78, die mit guten Gründen als die überzeugendste Fassung von Bruckners dritter Symphonie angesehen werden kann, enthält sie doch nicht mehr die werkfremden Wagner-Zitate der ersten Fassung und leidet nicht unter den drastischen Kürzungen, die die Proportionen der dritten Fassung entgleisen lassen, vor allem nicht unter dem nahezu verstümmelten Finale von 1888/89. Diese Fassung von 1877 stellt quasi eine ausgewogene Balance zwischen der „wilderen“ Erstfassung von 1873 und der zusammengestrichenen, späten Fassung von 1888/89 dar. Die dritte Symphonie ist die erste, die Bruckners unverwechselbaren symphonischen Stil und Orchesterklang klar offenbarte: wahrscheinlich deshalb fand sie anfangs keinen Anklang, verließ doch das Publikum bei der Uraufführung 1877 in Wien in Scharen den Saal und wurde das Werk auch von der Musikkritik dezidiert abgelehnt.
Das Bruckner Orchester Linz gehört fraglos zu den profiliertesten Bruckner-Orchestern weltweit und ist an diesem Abend in allen Instrumentengruppen sehr gut aufgestellt. Wie von Poschner nicht anders zu erwarten war, musiziert und gestaltet er die Symphonie ausgesprochen differenziert, sensibel, ausdrucksstark, vor allem enorm zupackend, die große Gesamtstruktur nie aus dem Blickwinkel verlierend. Der Chefdirigent des Bruckner Orchesters mildert dynamische Kontraste keineswegs und erzielt derart eine Interpretation, die musikalisch exzellent, emotional engagiert wie gedanklich durchdrungen gerät. Dem Reichtum und der Tiefe der Musik Bruckners trägt er gekonnt durch etwas weniger zügige Tempi als von ihm gewohnt Rechnung – die Akustik der Stiftsbasilika, wo der Klang von oben, quasi vom Himmel kommt, wohl den Intentionen Bruckners entsprechend, verlangt danach. Poschners Gestaltung mit langen, ausschwingenden Spannungsbögen, die Betonung von Bruckners nachschlagenden Oktaven vor allem im Finale und die enorm gesteigerte Coda am Schluss hinterlassen einen starken, bleibenden Eindruck.
Anton Bruckner, zweifellos einer der größten Symphoniker überhaupt, widmete bekanntlich seine dritte Symphonie ursprünglich Richard Wagner, den er zeitlebens verehrte. Diesen Umstand trägt Markus Poschner Rechnung, indem vor der Symphonie noch das Vorspiel zu „Tristan und Isolde“ des Bayreuther Meisters gegeben wird – tiefschürfend verhalten, im Kirchenraum ganz anders klingend als im Konzertsaal oder im (Bayreuther) Graben.