Sonya Yoncheva begeistert als IOLANTA an der Wiener Staatsoper

Sonya Yoncheva als berührende IOLANTA © Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

1900 von Gustav Mahler auf den Spielplan der damaligen Hofoper gesetzt, war das Werk nun 125 Jahre nicht mehr im „Haus am Ring“ zu erleben: in der laufenden Saison gibt es nun an der Wiener Staatsoper eine Premierenproduktion von Pjotr Iljitsch Tschaikowskys lyrischer Oper in einem Akt, IOLANTA, mit dem Text seines Bruders Modest Iljitsch Tschaikowsky. Eigenartigerweise gibt es das Werk mit einer Spieldauer von ungefähr 100 Minuten allein: interessante Produktionen der letzten Jahre haben das kurze Stück mit einem anderen kombiniert – in Paris und an der Wiener Volksoper mit Tschaikowskys Ballett DER NUSSKNACKER, im Theater an der Wien mit FRANCESCA DA RIMINI von Nikolaj Rimsky-Korsakow und in Frankfurt sogar mit Igor Strawinskys Opernoratorium OEDIPUS REX. Wurden vor und nach der Aufführung am 27. März 2025 Publikumsstimmen wie „Mogelpackung“ zu vernehmen, ist die alleinige Programmierung des Stückes im Grunde doch nachvollziehbar, passt thematisch nicht wirklich ein Stück zu jenem von der blinden Prinzessin, die durch die Liebe sehend wird.

Musikalisch gerät die Produktion, was die Orchesterleistung und die Besetzung der Titelrolle betrifft, zur Freude.

Tugan Sokhiev am Pult des auf gewohnt hohem Niveau agierenden Orchesters der Wiener Staatsoper schwelgt förmlich in der überbordenden Partitur Tschaikowskys, setzt auf ungemein dunkel getönte, betörende Klangfarben vor allem der Holzbläser, lässt die Musik groß wie leidenschaftlich aufrauschen und lässt keinen Deut Langeweile mit seiner dramatischen Gangart aufkommen. Das Orchester folgt ihm gerne mit sattem, kräftigem Sound.

Sonya Yoncheva hat die Titelrolle bereits vor einigen Jahren an der Pariser Oper gesungen, mit Alain Altinoglu am Pult und in der Regie von Dmitri Tcherniakov – damals mit lyrischem Jubelton. Heute ist ihre mitreißende, bewegende Interpretation enorm gereift. Groß, stark, leuchtend, mit wunderbarer Phrasierung ausgestattet, führt sie ihren vollen, in der Höhe ein wenig schrillen Sopran an diesem Abend – beinahe klingt diese Stimme schon etwas zu dunkel für den Charakter einer jungen Prinzessin, die ausgewiesene Schönheit ihres sinnlichen Timbres macht diese kleine Einschränkung jedoch mehr als wett. Das dosierte Vibrato wird gekonnt geschmackvoll zur Rollengestaltung eingesetzt, das zu Beginn leichte Tremolieren der Stimme bekommt sie rasch in den Griff, weshalb von einem berührenden, bewegenden Rollenporträt zu berichten ist.

Die anderen SängerInnen erreichen dieses Niveau nicht – ausgenommen Boris Pinkhasovich mit prächtig schallendem, sicher geführtem Bariton als Robert. Dmytro Popov mit seinem einfach zu leichten Tenor als Vaudemont kann mit Sonya Yoncheva nicht mithalten, bemüht sich aber um ein leidenschaftliches Liebesduett; bassstark singt Ivo Stanchev den König Renè. Alle anderen sind solide, verlässliche RollenvertreterInnen, für ein Haus vom Rang der Wiener Staatsoper ist das letztlich aber doch etwas zu wenig.

Evgeny Titov, der soeben TANNHÄUSER von Richard Wagner in Graz inszeniert hat und bei den Salzburger Festspielen im Sommer TRI SESTRI von Peter Eötvös inszenieren wird, wird bei seiner Regiearbeit von Rufus Didwiszus (Bühne), Annemarie Woods (Kostüme) und Martin Gebhardt (Licht) unterstützt. Die Frage, die sich der Regisseur stellt, geht in diese Richtung, was Iolanta nicht sieht, weil sie es nicht sehen kann und vor allem nicht sehen will? Worüber ist sie sogar froh, dass es im Verborgenen bleibt? Die Bühne zeigt dazu einen kitschigen Rosengarten in einer Märchenlandschaft aus dem Bilderbuch. Am Schluss, wenn Iolanta geheilt ist und sehen kann, fällt der Vorhang mit den bemalten Wänden und richtet sich der Blick auf eine desolate, stark zerstörte Welt und will der Regisseur damit wohl auf aktuelle, tragische Ereignisse in Osteuropa hinweisen. Kann uns das wirklich überzeugen? Abgesehen vom ästhetischen Gehalt der Regiearbeit, schön anzusehen ist diese Inszenierung allemal, lässt sie aber, was eine subtile Personenregie wie Personenführung übertrifft, zu wünschen übrig, dominiert Rampensingen und wird sich derart Tschaikowskys letzte Oper nicht im Repertoire behaupten können.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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