Auch wenn die Bläser an diesem Abend nicht ihren besten Tag haben, wie schon in der Premierenserie im vergangenen Herbst dieser Neuproduktion von Giuseppe Verdis Meisterwerk „Don Carlo“, seinem dramma lirico in vier Akten mit dem Text von Camille du Locle, Achille de Lauzières und Angelo Zanardi in der Mailänder Fassung von 1884, welche in ihrer Dichte gleichzeitig die fesselndste darstellt, setzt Musikdirektor Philippe Jordan wiederum stark betonte Akzente am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper. Verdis musikalisch vielleicht bestes Werk birst in seinem Dirigat förmlich vor innerer Dramatik, die Gestaltung ist ausgenommen subtil, was einen wahren Zauber an orchestralen Klangfarben betrifft, das Geschehen treibt er, gleichsam einem gewaltigen Crescendo, stetig voran und steuert spannungsgeladen auf die Höhepunkte zu. Dafür, dass auch die Ruhepole und lyrischen Momente der grandiosen Partitur nicht zu kurz kommen, sorgt Jordan mit ungemeiner Umsicht und Sensibilität, seine gekonnte Interpretation trägt auch die Besetzung durch den musikalisch sehr gelungenen Abend.
Der Großinquisitor von Vitalij Kowaljow hat eine schöne Bassstimme, angst- bzw. furchteinflößend ist er nicht, was auch an der Regie liegen mag. Der Bariton von Ètienne Dupuis klingt an diesem Abend nicht so kräftig wie gewohnt, bleibt zwischendurch bedauerlicherweise immer wieder blass. In der Titelrolle ist Joshua Guerrero aufgeboten, sein Tenor klingt eindimensional, in den Höhen forciert, bisweilen etwas greinend, eindimensional, mit lyrischer Emphase im Ausdruck vermag er zwischendurch aber auch zu überzeugen. Hervorragende sängerische Leistungen erbringen am Abend des 13. März 2025 die beiden weiblichen Protagonistinnen: Zunächst Nicole Car mit ihrem hellen, schön gefärbten Sopran als ungemein berührende Elisabetta, die ihre große Szene und Arie im vierten Akt höchst nuanciert zu gestalten weiß. Und in der Rolle der Prinzessin Eboli brilliert Elina Garanca in ihrer Interpretation einer interessanten, vielschichtige Frau. Bereits die erste Arie mit ihren fordernden Koloraturen meistert sie mit ihrer hervorragend geführten Mezzostimme, verstärkt im Laufe des Abends mehr und mehr ihren dramatischen Ausdruck, um dann mit großem Mezzosopran ihre Leistung mit einem ungemein starkem, fulminantem „O don fatale“ abzuschließen. Gesanglich die beste Leistung des Abends ist Roberto Tagliavini als Philipp II. zu attestieren. Mit seinem wunderbar italienisch gefärbten Bass verfügt er mittlerweile auch über große Persönlichkeit und majestätische Würde im Ausdruck für eine der größten Rollen der Bassisten überhaupt. Beeindruckend geraten Ausdruck und Diktion, hervorragend seine Rollengestaltung, trotz des Regieunsinns. Überragend gelingt ihm seine große Szene zu Beginn des dritten Aktes, „Ella giammai m’amo …“.
Was nun die Szene betrifft, hat sich an der unglaublichen Regietristesse dieser Neuproduktion seit der Premierenserie nichts geändert. Der russische Film-, Theater und Opernregisseur Kirill Serebrennikov siedelt das Werk im trostlos kalten Ambiente eines Instituts für Kostümkunde, von einem Originalschauplatz im japanischen Kyoto inspiriert, an. Das kühle Einheitsgrau dieser Institution mag zwar mit der eisig kalten Atmosphäre des Klosterpalastes im Escorial in Einklang zu bringen sein, Verdis Meisterwerk führt aber musikalisch in menschlich bewegende Abgründe, deren Umsetzung auf der Bühne in dieser Inszenierung total auf der Strecke bleibt.
Am Schluss gibt’s vom Publikum lautstarke Zustimmung für die Ausführenden. Und das Unverständnis, dass die Verantwortlichen einen derart überzeugenden Musiker wie Philippe Jordan mit Ende der laufenden Saison als Musikdirektor tatsächlich ziehen lassen, wächst.