Anton Bruckner modern – Ingo Metzmacher mit der IX. Symphonie

Ingo Metzmacher und die Wiener Symphoniker im Wiener Konzerthaus © Thomas Rauchenwald

Die Programmdramaturgie des zweiten Konzertes der Wiener Symphoniker in ihrem Zyklus im Wiener Konzerthaus in der laufenden Saison ist im Grunde auf drei Jubilare des Jahres 2024 ausgerichtet – Luigi Nono, Arnold Schönberg und Anton Bruckner.

Vor der Pause gibt es eine Erstaufführung im Wiener Konzerthaus: Der deutsche Dirigent Ingo Metzmacher, konsequenter Vorstreiter insbesondere für die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, beginnt das Konzert am 5. Oktober 2024 mit Luigi Nonos offiziellem Werk Nr. 1, den 1950 entstandenen, experimentellen „Variazioni canoniche sulla serie dell’op. 41 di Arnold Schönberg“, der „Ode to Napoleon Buonaparte“ auf einen Text von Lord Byron. Es handelt sich dabei um ein zwanzigminütiges Stück für Orchester mit solistischen Streich-, Schlag und Blasinstrumenten, ergänzt durch ein Sopransaxofon. Das – den unruhigen dritten Teil ausgenommen – eher kontemplative Werk ist in vier Abschnitte unterteilt: Largo vagamente, Andante moderato, Allegro violento, Lento. Metzmacher spürt mit den höchst ambitionierten MusikerInnen in seiner Interpretation des interessanten Werkes wie gewohnt der Sinnlichkeit von Nonos Musik, welche nach wie vor einen Schwerpunkt seines Musizierens darstellt, auf den Grund und lässt das komplizierte Werk ganz natürlich erklingen.

Nach der Pause widmet sich Metzmacher dann dem dreisätzigen Torso der Symphonie Nr. IX, d-moll, WAB 109, entstanden 1887 bis 1896, von Anton Bruckner. In seiner Neunten, seinem „Abschied vom Leben“, der „dem lieben Gott“ gewidmet ist, war Bruckner seiner Zeit weit voraus, in Bezug auf die Harmonik bereits an einem Wendepunkt zur Auflösung der Tonalität angelangt, Alban Bergs Musik war da nicht mehr allzu ferne, sodass Metzmacher, wie zu erwarten war, in einer ungemein transparenten Wiedergabe mit dem in allen Instrumentengruppen hervorragend aufgestelltem wie ausgezeichnet aufeinander abgestimmtem Orchester diesen Aspekt der Partitur ganz besonders stark betont und hervorhebt. Bei etwas weniger raschem Tempo – die Aufführung der Symphonie dauert 55 Minuten – wären Reichtum und Tiefe von Bruckners bewegender Musik wahrscheinlich noch besser zur Geltung gekommen: Metzmachers äußerst zügige, spannungsgeladene Interpretation in ihrer ganzen Schroffheit und Radikalität ist dennoch stimmig, in sich geschlossen, kompakt und letztendlich zwingend. Dem Dirigenten gelingt damit ein zwar außergewöhnlicher, aber gelungener Beitrag zum Gedenkjahr des Jahresregenten, Orchester und Dirigent werden vom Publikum dafür auch entsprechend gewürdigt.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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