Lange Zeit war es auf den internationalen Opernbühnen eher still, was komplette Aufführungen von „Il trittico“, Giacomo Puccinis drei Opern in je einem Akt – „Il tabarro“ (IT), Text von Giuseppe Adami, „Suor Angelica“ (SANG) und „Gianni Scicchi“ (GS), Texte beider von Giovacchino Forzano – betrifft. Seit ungefähr zehn Jahren aber boomt das Tryptichon: 2012 Theater an der Wien, 2017 Bayerische Staatsoper München, 2022 Gran Teatre des Liceu Barcelona, Theatre Royal de la Monnaie Bruxelles und Salzburger Festspiele, 2023 Deutsche Oper Berlin – und auch als erste Saisonpremiere an der Wiener Staatsoper, wo die Kombination der drei Stücke zuletzt 1979 in einer Inszenierung von Otto Schenk produziert wurde, wird es jetzt auf den Spielplan gesetzt. Im Hinblick auf die Verselbständigung der einzelnen Trittico-Teile – GS wurde im Haus am Ring zum Beispiel mit Arnold Schönbergs „Die Jakobsleiter“ oder Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ bzw. mit Ruggiero Leoncavallos „I Pagliacci“ gegeben, an der Wiener Volksoper wurde nur IT mit GS kombiniert – zeigt die Neuproduktion deutlich, dass eine Aufführungsserie aller drei Werke Sinn macht und zwar in der vorgesehenen Abfolge, das heißt IT zu Beginn, danach SANG und GS zum Schluss; die Salzburger Festspiele im vergangenen Sommer haben ja mit GS begonnen, ließen darauf IT folgen und schlossen den Abend mit SANG, wohl im Hinblick auf einen publikumswirksamen Schluss mit der Protagonistin Asmik Grigorian.
Als Regisseurin konnte die deutsche Regisseurin mit türkisch-italienischen Wurzeln, Tatjana Gürbaca, gewonnen werden, Gewinnerin des „Ring Award“ 2000 in Graz, 2011 bis 2014 Operndirektorin am Staatstheater Mainz, dem Wiener Publikum in Erinnerung mit einer abgelehnten Inszenierung von Richard Strauss‘ „Capriccio“ 2016. Und auch für ihre Regiearbeit von Puccinis „Trittico“ gab es bei der Premiere überwiegend Missfallenskundgebungen vom Publikum. Dieser Umstand und weshalb ihre Arbeit auch vom Wiener Feuilleton derart zerzaust wurde, erscheint jedoch unverständlich. Als verbindenden Gedanken in den drei Stücken des Werkes hat die Regisseurin für sich „Wie schwer ist es doch, glücklich zu sein“ – Giorgettas Satz aus IT – festgestellt und eine wohldosierte, im Grunde kluge, einfache Inszenierung geschaffen. Diejenigen im Publikum, die bereit sind, auf Puccinis Musik zu hören und – daraus entwickeltes Musiktheater zu erleben – werden dieser Arbeit wohl nichts Negatives anlasten können. Henrik Ahr hat ihr einen Einheitsraum, der von Stück zu Stück enger wird, geschaffen, weitgehend ohne Requisiten, ganz auf die Sänger*innen fokussiert, denen darin viel Raum zur Darstellung und Entfaltung gegeben wird: In überwiegend unauffälligen, zum jeweiligen Stück passenden Kostümen von Silke Willrett und einer gekonnten, mehr oder weniger stimmigen Lichtregie von Stefan Bolliger nutzen diese auch den Bühnenraum zur Präsentation. Intensiv große Szenen ereignen sich so zwischen Giorgetta, Michele und Luigi, dramatisch unter die Haut gehende besonders zwischen Giorgetta und Michele in IT nach „La Houppelande“, einem Schauspiel von Didier Gold. In Gürbacas Version ermordet Michele am Schluss nicht nur Luigi, sondern richtet sich, nachdem er den Mantel mit der Leiche Luigis vor Giorgetta gelüftet hat, auch sich selbst. In SANG, der keine literarische Vorlage zu Grunde liegt, gelingt über den Maßen die Szene zwischen Schwester Angelica und ihrer Tante, der Fürstin, sowie Angelicas Suizid-Szene am Schluss, die Verklärung laut Libretto verweigert Gürbaca und nimmt dem Stück damit etwas vom gewohnten Kitsch. GS schließlich lebt von der grandiosen Komödiantik der Hauptfigur, im Übrigen ist hier etwas zu viel an Klamauk auf der Bühne zu erleben, was dem hintergründigsten Stück der Trilogie, entnommen dem „Inferno“ von Dante Alighieri, nicht immer wirklich gerecht wird. Sei’s d’rum: Personenregie wie Personenführung Gürbacas überzeugen weitgehend, geraten mitunter superb. Ob seiner Schwerelosigkeit auch für andere Sänger*innen, kurzfristig in die Produktion einzusteigen, wird sich diese Regiearbeit zu einem publikumswirksamen Werk erster Güte gewiss lange im Repertoire der Wiener Staatsoper halten können.
Denen, die sich mit der szenischen Seite der Inszenierung wenig anfreunden können, bleibt die musikalische Seite der Neuproduktion, die auch in der besuchten zweiten Aufführung der aktuellen Premierenserie am 7. Oktober 2023 hervorragend gelingt. Da sich die Wiener Philharmoniker auf großer Japan-Korea-Tournee befinden, haben dieses Mal viele Substituten ihren Platz im Orchester der Wiener Staatsoper, doch mit Generalmusikdirektor Philippe Jordan am Pult – warum nur lässt man diesen ausgezeichneten Dirigenten nach Ablauf seines Vertrages nach der Saison 2024/2025 wieder ziehen – gelingt der groß aufspielenden Formation eine wunderbare Umsetzung von Puccinis vorletzter Partitur. In IT, dem stärksten Part des Abends, betont er den echten Verismo-Reißer, den das Stück nun einmal darstellt, indem er einen üppig süffigen Klang zu entfachen versteht; in SANG setzt er auf fließendes Puccini-Melos ohne jegliches Sentiment; GS schließlich erklingt präzise artikuliert im besten Komödienton, wo in den jeweiligen dafür komponierten Nummern auch Puccinis Melodieseligkeit nicht vernachlässigt wird.
Was die Sänger*innen betrifft, darf in manchen Fällen sogar von Weltklasse gesprochen werden. Seine enorme sängerische Vielschichtigkeit unter Beweis stellen darf der für den ursprünglich vorgesehen Carlos Alvarez eingesprungene Michael Volle. Eben von der Zeitschrift „Opernwelt“ als bester Sänger des Jahres ausgezeichnet, nach einem grandiosen Wotan in der Neuproduktion von Wagners „Ring“ sowie einem fulminanten „Holländer“ im Sommer in Bayreuth, gibt er einen mächtigen, imposanten Michele mit vollem, sattem Bariton in IT. Ihm zur Seite steht Anja Kampe, in Wien soeben als Isolde höchst erfolgreich, die Giorgetta als echte Hochdramatische anlegend, was dieser Rolle in Kombination mit der stimmlichen Gestaltung des Michele durch Volle sogar guttut. Das leidenschaftliche Plärren von Tenor Joshua Guerrero passt zum Rollenprofil des Luigi. In SANG berührt in der Titelpartie mit leidenschaftlichem wie innigem Sopran Eleonora Buratto; Michaela Schuster ist in Gesang und Spiel eine famose, eiskalte Fürstin, aus dem übrigen Ensemble ragen Monika Bohinec als Äbtissin und Patricia Nolz als Lehrmeisterin der Novizinnen heraus. Ambrogio Maestri, ebenfalls für den ursprünglich vorgesehen Alvarez eingesprungen, singt und spielt einen saftig protzenden Knecht Scicchi mit voluminösem Bariton. Solide, mit feinen Stimmen, agieren Serena Saenz als Lauretta und Bogdan Volkov als Rinuccio. Michaela Schuster als Zita und Clemens Unterreiner als Betto di Signa führen das Ensemble der erbschleicherischen Verwandten an.
Was die Musik betrifft, kommt der Abend, eine vielschichtige Kombination aus Verismo-Schocker, Nonnen-Tragödie und Erbschleicher-Komödie, beim Publikum zu Recht sehr gut an. Das Privatfoto zeigt das Ensemble von „Il tabarro“ beim Applaus.