Die Inszenierung von Giuseppe Verdis DON CARLO an der Bayerischen Staatsoper gelangte bereits im Juli 2000 zur Premiere und bildet einen Eckpfeiler des Repertoires. Das großartige, für viele das beste Werk des Komponisten, wird in einer „Münchner Fassung“ gegeben, die auf der italienischen fünfaktigen Fassung von 1886 und im Finale des vierten Aktes auf der (französischen) Erstfassung von 1867 basiert.
Auch nach nunmehr fast 25 Jahren ist diese Produktion zeitlos, weil ungemein werkimmanent. Regisseur Jürgen Rose, der auch selbst für Ausstattung und Lichtkonzept gesorgt hat, hat einen beinahe kammerspielartigen Raum, der nur im Autodafè des dritten Aktes geweitet wird, geschaffen. Die eisige Atmosphäre am historischen spanischen Hof im Escurial wird beklemmend vermittelt, in jeder Szene ist die Macht des Kreuzes über die Krone, sprich der Inquisition über die Monarchie, spürbar, das Drama entfaltet sich in klarer Personenregie einfach zwingend. Die aktuell besetzten SängerInnen können sich jeweils problemlos in Roses Regiekonzept einfügen, wodurch das Stück erkennbar und nachvollziehbar bleibt, genauso wie es im Repertoire eines von der öffentlichen Hand als Träger geführten und subventionierten Haus mit einem Kulturauftrag sein soll.
Was die musikalische Umsetzung in der Aufführung am 10. Mai 2025 betrifft, dauert es bis zum Duett zwischen Elisabeth und Don Carlo im zweiten Akt, bis die Aufführung Fahrt und damit auch Spannung und Dramatik annimmt. Bis dahin, vor allem im ersten, den sog. „Fontainebleau-Akt“, plätschert das musikalische Geschehen wenig inspirierend dahin. Ivan Repusic, für den ursprünglich vorgesehenen Zubin Mehta eingesprungen, am Pult des Bayerischen Staatsorchesters gelingt es aber im Verlauf des Abends mehr und mehr gestalterisch überzeugende, kantig aufgeladene Akzente zu setzen, sodass die mehr und mehr an Dichte und Ausdrucksintensität zunehmende Vorstellung am Ende zu Recht vom Publikum heftig akklamiert wird. Für die ebenfalls im Lauf der Aufführung zu gelungener Differenzierung findenden Chöre ist Christoph Heil verantwortlich.
Die Besetzung an diesem Abend erweist sich jedenfalls als exzellent. Roman Chabaranok orgelt einen bassstarken Mönch (Kaiser Karl V.), aufhorchen lässt Elene Gvritishvili als Tebaldo. Don Carlo ist Stephen Costello mit lyrischer Tenoremphase, bemüht um vorbildliches Phrasieren wie schöne, leuchtende Höhen, mitreißenden Elan für die neue Aufgabe als menschlicher Herrscher für Flandern vermag er nicht zu vermitteln. Fünf SängerInnen ragen jedoch heraus. Rachel Willis-Sörensen singt Elisabeth mit cremig sahnigem, in der Höhe großen und stark aufblühenden Sopran, Ekaterina Semenchuk Prinzessin Eboli mit sattem, dramatisch aufgeladenem Mezzosopran. Als Rodrigo, Marquis von Posa brilliert George Petean mit prächtig schallendem, klangvollem, ebenmäßig geführtem, echtem Kavaliersbariton. Erwin Schrott überrascht, weil berührend die Einsamkeit des Herrschers vermittelnden König Philipp II., dass dieser Herrscher auch unter dem Joch des Kreuzes leidet, nimmt man ihm ebenso ab. Mit seinem schön timbrierten Bass gestaltet er die Rolle äußerst differenziert, mit markerschütternder Phonation singt er sich in „Ella giammai m’amo“ Herz und Seele aus dem Leib, ihm ist gewiss die beste Gesangsleistung des Abends zu attestieren. Ganz Verdis Intentionen entsprechend thront stimmlich in seinen Auftritten über allen der Großinquisitor von Dmitry Belosselskiy mit rabenschwarz mächtigem, furchteinflößend imposantem Bass.
Die Reise nach München an die Bayerische Staatsoper hat wieder einmal sehr gelohnt.