TRISTAN UND ISOLDE in Hamburg – Wiederaufnahme der Inszenierung von Ruth Berghaus

Catherine Foster (Isolde) und Simon O'Neill (Tristan) an der Hamburgischen Staatsoper © Thomas Rauchenwald

In der letzten Saison der Direktion von Georges Delnon an der Hamburgischen Staatsoper gibt es eine Wiederaufnahme von Richard Wagners Handlung in drei Aufzügen, TRISTAN UND ISOLDE, in der bereits legendären Inszenierung von Ruth Berghaus, die seit der Premiere am 13. März 1988 nichts an ihrer Eindringlichkeit verloren hat. Dass die 51. Aufführung dieser Kult-Produktion am Pfingstmontag nur szenisch wirklich unter die Haut geht, liegt an der musikalischen Umsetzung von Wagners Nachtgesang am 9. Juni 2025.

Die sehrend verzehrende, bisweilen rauschhaft gesteigerte Musik, die sonst nahezu trunken machen kann, tönt an diesem Abend zunächst wenig bewegend aus dem Graben. Kent Nagano, der scheidende Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper, so hat es den Anschein, kommt im Vorspiel wie im ersten Akt mit dem in allen Instrumentengruppen tadellos aufgestellten Philharmonischen Staatsorchester Hamburg nicht vom Fleck: der Schein trügt aber, die raschen Tempi verfügen über keine Spannung. Den zweiten Aufzug musiziert Nagano auf Zug, ganz auf die Sogwirkung der Musik vertrauend, im dritten Aufzug kommen dann doch noch starke, gewaltige Akzente vom Pult.

Was die Besetzung angeht, überzeugen die sehr gut aus dem Internationalen Opernstudio des Hauses besetzten kleinen Rollen, Christoph Pohl steigert sich im Laufe des Abends zu einem im dritten Akt präsenten Kurwenal, ebenso wie Katja Pieweck als sorgsame Brangäne mit schönen Wachgesängen im zweiten Aufzug. Renè Pape beeindruckt und berührt als leidender König Marke mit starkem wie warmem Bass. Als Tristan verfügt Tenor Simon O’Neill bedauerlicherweise über eine stark gequetschte, säuerliche Tongebung, im dritten Akt gelingt ihm noch eine bisweilen ergreifend eindringliche Deklamierung.  Catherine Foster verfügt über alles, was eine gute Isolde braucht – eine hervorragend im Fokus sitzende, hochdramatische Sopranstimme, fundiert in der Tiefe, mit starker, kräftiger Mittellage und bombensicheren Höhen. Ihre Interpretation der irischen Königstochter bleibt jedoch unterkühlt, wenig berührend – bis auf die wunderbar groß ausgesungene Verklärung, wo sie alle interpretatorischen Register zieht.

Die Reise nach Hamburg mehr als wert war aber die intensiv zwingende, energetisch scharfe, nach wie vor avantgardistisch moderne Inszenierung der deutschen Choreografin, Opern und Theaterregisseurin Ruth Berghaus (1927-1996), die bei ihrer Regiearbeit von Hans Dieter-Schaal (Bühnenbild), Marie-Luise Strandt (Kostüme und Requisiten) sowie Sigrid Neef (Dramaturgie) unterstützt wurde.

Will man in TRISTAN UND ISOLDE wirklich eindringen – Nike Wagner hat eine erhellende Abhandlung über diesen Nachtgesang ihres Urgroßvaters Richard Wagner verfasst und darin den „zweimal einsamen Tod“ der beiden Protagonisten thematisiert. An diesen Text muss man unwillkürlich denken, wenn man sich mit Berghaus‘ Inszenierung des Werkes auseinandersetzt. Die Radikalität der Konzentration Wagners auf die Charaktere ist in dieser Regiearbeit, die um die – im Grunde brutalen – Themen von selbstzerstörerischer Liebe, immenser Einsamkeit und verzehrender Todessehnsucht kreist, permanent spürbar. Berghaus erzählt, aus der großartigen Musik Wagners entwickelt, von Liebenden, die sich permanent verfehlen. Das Schiff, das die beiden nach Kornwall bringt, ist ein Raumschiff im unendlichen Weltenraum – „in ungemess’nen Räumen, übersel’ges Träumen“ empfinden Isolde und Tristan auf dem Höhepunkt der zentralen Szene im zweiten Aufzug, unmittelbar vor ihrer Entdeckung durch Marke. Zwingend, und das nach so vielen Jahren, bleibt immer, wie Berghaus die Handelnden, die nie zusammenkommen, permanent aneinander vorbeiführt: diese explizit subtil psychologische Personenregie sucht ihresgleichen, wurde bisher, was dieses Stück betrifft, wahrscheinlich nie erreicht. Man hat den Eindruck, als nähme sie das hörende wie sehende Publikum auf eine Traum-, eine Seelenreise zu den metaphysischen Gründen und Weiten von Wagners Partitur mit. Galaxien, Weltenräume, Sternenmeere, in denen die Protagonisten zu schweben scheinen: Ruth Berghaus spürt TRISTAN UND ISOLDE förmlich auf den Grund in all‘ den Dimensionen dieses Werkes: diese Inszenierung möge noch lange an der Hamburgischen Staatsoper zu erleben sein.

Themenschwerpunkte
Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

Kommentare

  1. Heil Silvio

    Werter Kritiker,

    Dir gesamte Kritik ist genau auf den Punkt gebracht, allerdings muss msn schon bemängeln, zumal Sie es so deutlich hervorheben, dass Frau Foster, mit allem Positionen, wie toller Höhe und guter Durchdringung der Rolle vieles für eine Isolde mitbringt.
    Ich habe viele Isolden gehört und muss sagen, dass ich selten so eine gute Höhe einer Isolde gehört habe, allerdings auch kaum eine Isolde mit so einer schwachen Mittellage gehört habe.
    Also unterm Strich, leider keine ganz ideale Isolde..
    LG

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