Strauss resignativ, Beethoven vorwärtsstürmend – Franz Welser-Möst kehrt zurück ins philharmonische Abonnement

Franz Welser-Möst, Dirigent der Wiener Philharmoniker seit 1998, kehrt nach seiner Genesung zurück ins philharmonische Abonnement © Thomas Rauchenwald

Über den Maßen wehmütig sind die METAMORPHOSEN. Studie für 23 Solostreicher, AV 142, von Richard Strauss. Die Interpretation an diesem Vormittag im 4. Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker am 21. Dezember 2025 ist verinnerlicht, ernst, der Dirigent am Pult, der Gott sei Dank wiedergenesene Franz Welser-Möst, dirigiert das Werk, worin der Komponist neben dem Trauermarsch aus Beethovens III. Symphonie, der „Eroica“, auch ein Motiv aus seiner eigenen ALPENSINFONIE zitiert, entsprechend abgeklärt, vergeistigt, man wähnt sich in einem resignativen Fließen, in schmerzlicher Schönheit, ähnlich Schubert. Was Qualität und verhangenen, silbrig schimmernden Streicherglanz anbelangt, kann dieses Werk wohl nicht besser gespielt werden als von den Wiener Philharmonikern. Und hinter den Nebelschleiern blitzt da die Sonne auf.

Im schärfsten Kontrast dazu steht zuvor als erstes Werk auf dem Programm die III. Leonoren-Ouvertüre op. 72 von Ludwig van Beethoven. Erklang das Werk zu Beginn der Woche bei der Premiere von FIDELIO an der Wiener Staatsoper aus dem Orchestergraben noch mit ekstatischem Furor, pfeffert Welser-Möst das Stück nun mit kontrollierter Ekstase vom Konzertpodium in den Großen Saal des Wiener Musikvereins, direkt, unmittelbar, aber nicht ganz so trocken forsch und kantig geschärft wie ein paar Tage zuvor im Haus am Ring. Beethovens Utopie hört man auch in dieser Gangart durch und durch.

Kaum ein Werk ist mehr abgespielt, missbraucht von Dilettantenorchestern und abgedroschen infolge geschmäcklerischer Wiedergaben als die Symphonie Nr. 5 c-moll op. 67 von Ludwig van Beethoven, die nach der Pause auf dem Programm steht. Doch auch bei dieser „Schicksalssymphonie“ ist das Orchester in allen Instrumentengruppen – besonders auffällig die samtig gestrichenen Celli und das runde Blech – blendend aufgestellt. Derart interpretiert, gerät dieses Werk denn zur reinsten Freude, setzt Welser-Möst auf kräftige, leuchtende Orchesterfarben bei ungemein rasant, taumelnden, stets vorwärtsstürmenden Tempi, die vom Orchester mit schier unbändiger Musizierlust freudig und höchst präzise umgesetzt werden. Auch Transparenz ist bei dieser Gangart angesagt, Welser-Möst dirigiert mit einem Furor sondergleichen. Im ersten Satz wiederholt er die Exposition, folgerichtig auch im Finalsatz, dennoch dauert das ganze Werk unter seiner virtuos souveränen Stabführung nur ungefähr 35 Minuten! Über die ganzen vier Sätze spannt er einen strukturiert energischen Bogen, der erste Satz hat auch das nötige Feuer, der zweite Satz gerät trotz des schnellen Tempos sehr dicht, das Scherzo huscht nur so vorbei, das Finale gleicht einem jubelnden Triumphmarsch und steuert höchst konzentriert auf seinen strahlenden Ausklang zu – Beethovens Freudentaumel der IX. Symphonie lässt bereits grüßen in dieser großartig drängenden Interpretation.

Möge uns das kommende Jahr noch viele Abonnementkonzerte dieser Klasse bescheren.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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