Schubert subtil wie intensiv – Andrè Schuen und Daniel Heide im Wiener Konzerthaus

Große Liedkunst im Konzerthaus: Andrè Schuen und Daniel Heide mit Schubert © Thomas Rauchenwald

In einer Stadt wie Berlin kann man mit Liederabenden bzw. Kammermusik heute bedauerlicherweise keine Konzertsäle mehr füllen, Wien ist diesbezüglich noch eine Insel der Seligen, bieten die Veranstalter doch noch ganze Zyklen von Liederabenden an. Nach der von dem aus Südtirol stammenden Bariton Andrè Schuen und dem aus Weimar stammenden Pianisten Daniel Heide am Flügel gestalteten Veranstaltung im Zyklus Lied im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses am 7. Mai 2025 akklamiert das Publikum so heftig, dass dem Programm sogar noch drei Zugaben folgen – Der Musensohn D 764, An den Mond D 259 und Der Schiffer D 536 – aus der Feder von Franz Schubert.

Im Rahmen dieses Liederabends interpretierten die Künstler Schwanengesang D 957 aus dem Spätwerk des Komponisten, das Franz Schubert auf dem Höhepunkt seines kompositorischen Schaffens zeigt: Lieder mit Texten von Ludwig Rellstab und Heinrich Heine, ergänzt an diesem Abend durch ausgewählte Vertonungen von Texten von Johann Gabriel Seidl, deren Farben und Töne wunderbar mit den Rellstab- und Heine-Liedern im Einklang stehen, und zwar Herbst D 945, Bei dir allein D 866/2, Der Wanderer an den Mond D 870, Wiegenlied D 867 und Am Fenster D 878. Im ersten Teil geraten ein sehnsüchtig lockendes, viril vorgetragenes Ständchen, das auch der nötigen, wehmütigen Melancholie nicht entbehrt, eine wehmütig gesungene Frühlingssehnsucht und Aufenthalt mit trotziger Wut zu Höhepunkten. Und der von einer Pause unterbrochene Abend wird dann im zweiten Teil bei den Heine-Liedern immer dichter und dichter, ergreifender, hier vor allem Der Atlas und Der Doppelgänger, vorgetragen mit eindringlicher Intensität wie gewaltiger Phonation, höchst eindringlich auch Ihr Bild, Das Fischermädchen und Am Meer.

Eine bewegende Interpretation ist da zu erleben. Nach gesundheitsbedingter Pause steht Andrè Schuen glücklicherweise wieder am Konzertpodium und setzt seine herrliche, was Timbre und Stimmführung betrifft, an den großen Liedersänger Hermann Prey erinnernde Stimme mit ausgeprägtem Geschmack und hoher Sensibilität für die Texte ein. Gefühlvoll, frei, auch dramatisch intensiv führt er seinen Bariton, vor allem die Heine-Lieder stellen, derart gestaltet, bereits mehr gewaltig abgründige Mini-Dramen denn Lieder dar. Schuens langjährigem Partner am Klavier zeichnet auch an diesem Abend eine vorbildliche Begleitung, ein klar subtiles Spiel und eine immer wieder betont dramatische Mitgestaltung, wo er den Bösendorfer mächtig aufrauschen lässt, aus.

Zusammenfassend war da eine ungemein einfühlsame, höchst geschmackvolle wie auch intensive Interpretation der Lieder von Franz Schubert zu bewundern, stellen Schuen und Heide doch gemeinsam Schönheit, Pathos, Drama und Verzweiflung dieser Lieder überzeugend dar und nehmen auch mit den volksliedhaft leichteren Tönen der Seidl-Lieder stark für sich ein.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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