Russisches und Französisches: Klaus Mäkelä und das Orchestre de Paris im Wiener Musikverein

Klaus Mäkelä, Musikdirektor des Orchestre de Paris © Mathias Benguigui

Die Gesellschaft der Musikfreunde hat in dieser Saison den jungen, finnischen Dirigenten Klaus Mäkelä im Fokus. Nach einem Konzert im November 2024 mit dem Oslo Philharmonic Orchestra, dem er als Chefdirigent seit 2022 vorsteht, und seinem Debüt bei den Wiener Philharmonikern im Dezember 2024, gab er nun im Februar 2025 als Fortsetzung seines Konzertreigens im Großen Saal des Wiener Musikvereins zwei Konzerte mit dem Orchestre de Paris, als dessen Musikdirektor er seit Jänner 2021 fungiert.  

Ausgebildet in der Kaderschmiede des großen finnischen Dirigentenlehrers Jorma Panula, hat Mäkelä früh seinen eigenen Stil gefunden und versteht es der junge Mann, der enthusiastisch für die Musik brennt, das Beste aus den jeweiligen Orchestern herauszuholen. „Das beste Resultat entsteht, wenn ich ihnen ein Konzept anbiete – ich gebe ihnen Gedanken, Impulse, sehr praktische, manchmal auch ganz metaphysische Anweisungen. Aber dann antworten sie mit etwas Eigenem, was auf dem, was ich gefragt habe, basiert. Und dann wird es eine Konversation, ein Dialog, und das finde ich dann musikalisch unglaublich zufriedenstellend.“: Dass es sich bei diesen Worten Mäkeläs nicht nur um Floskeln oder Lippenbekenntnisse handelt, war nun am 22. und 23. Februar 2025 beim Gastspiel mit seinem Pariser Orchester, wo französische und russische Klänge auf dem Programm standen, eindrucksvoll überzeugend zu hören.

Den Schwerpunkt der beiden Konzerte, in denen das Orchestre de Paris, das als schwierig gilt, unter der Stabführung von Mäkelä, mit einer ungemein breiten, intensiven Klangkultur – von poetisch zart bis martialisch gleißend – brilliert, bilden absolute Meisterwerke aus der Feder von Igor Strawinsky und Modest Mussorgsky.

Am ersten Abend gibt es Le Sacre du printemps. Bilder aus dem heidnischen Russland, in der Fassung 1913 von Igor Strawinsky – emotional, farbenreich, transparent wiedergegeben. Mäkeläs Phrasierung ist faszinierend, die hämmernden Rhythmen schlagen mit voller Wucht zu, aber nie vordergründig brutal oder lärmend. Ungemein frisch zieht er die Partitur durch, Harmonien mit den seidigen Streichern und Linien des kecken Holzes klar und deutlich herausarbeitend. Das Orchester verfügt über hervorragende Soli – Fagott, Altflöte und Piccolo-Trompete sind exquisit, die Hörner rund, die elementar wuchtigen Schlaginstrumente immer auch einen Hauch elegant. Und beim Danse sacrale am Ende tanzt der junge Mann am Pult mit seiner unaufdringlich effizienten Schlagtechnik fast schon leidenschaftlich mit …

Hervorragend organisiert, rhythmisch großartig wie aufregend gerät dann auch am zweiten Abend Petruschka. Burleske Szenen in vier Bildern für Orchester, in der Fassung 1947 von Igor Strawinsky. Auch mit der diesem Werk eigenen Bitonalität und vertrackten Polyrhythmik kann Mäkelä ausgezeichnet umgehen, vermag mit seiner Wiedergabe auch zu berühren, bei aller sorgfältiger Artikulation und wild prächtiger Orchesteropulenz. Strawinskys radikal differenzierte Orchesterpalette beeindruckt auch in dieser Gestaltung und Interpretation, sei es bei den herrlich schimmernden Klangfarben wie im kraftvollen Orchesterspiel.

Den zweiten Abend und das Gastspiel beschließt Programmmusik in Reinkultur – Bilder einer Ausstellung von Modest Mussorgsky in der Orchesterbearbeitung von Maurice Ravel. Einerseits ganz fein, mit zarter Finesse, andererseits bestechend präzise, klar, wie gleichsam, wuchtig, mit kraftvoller Pracht – wie es die Musik erfordert – dargeboten, verfehlt auch dieser Programmpunkt nicht seine Wirkung beim Publikum. Klaus Mäkelä und das Orchestre de Paris ernten stehende Ovationen im Musikverein, zu Zugaben lassen sie sich bei beiden Konzerten leider nicht hinreißen.

Ergänzt werden die genannten Programmpunkte noch von Kompositionen von Maurice Ravel – der Suite für Orchester Le Tombeau de Couperin und Ma mère l’oye. Cinq pièces enfantines, in der Fassung für Orchester, sowie von Claude Debussy – Trois Nocturnes. Symphonisches Triptychon für Orchester: Charakteristik und Idiom dieser impressionistischen Meisterwerke liegt dem Pariser Orchester besonders im Blut, wo es unter der gefühlvoll inspirierten Leitung von Mäkelä vollends in seinem Element ist.

Klaus Mäkelä wird seine Positionen in Oslo und Paris 2027 zurücklegen, um gleich zwei der weltbesten Orchester übernehmen – als Chefdirigent des Koninklijk Concertgebouw Orkest Amsterdam, mit dem er im Rahmen des Festivals „Claras Blumenalbum“ im Frühjahr in den Musikverein zurückkehren wird, und als Musikdirektor des Chicago Symphony Orchestra.

Themenschwerpunkte
Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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