Im ersten Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker in der neuen Saison am 29. September 2024 unter der Leitung von Daniele Gatti, neuer Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, der jetzt schon länger nicht zu Gast im philharmonischen Abonnement war, gelangen Werke russischer Komponisten zur Aufführung.
Den Beginn macht die Ballettsuite APOLLÒN MUSAGETE von Igor Strawinsky, ein Manifest des Neoklassizismus, 1928 in Paris uraufgeführt, wo Apollo als göttlicher Repräsentant der Künste, die Musen der Poesie (Kalliope), der Hymnendichtung (Polyhymnia) und des Tanzes (Terpsichore) zum Parnass führt. Daniele Gatti arbeitet das tänzerische Element dieser Musik detailreich heraus, setzt ganz auf den herrlichen Streichersound des Orchesters und erzielt eine farbenprächtige Wiedergabe des für 31 Streicher gesetzten Werkes.
Nach der Pause tritt das Orchester in Großformation zur Aufführung der Symphonie Nr. 10, e-moll, op. 93, von Dmitri Schostakowitsch, uraufgeführt im Dezember 1953 im Großen Saal der Leningrader Philharmonie unter Jewgeni Mrawinski, an. Kompakt, kraftvoll, zwingend, aus einem Guss gerät die Interpretation Gattis, das Orchester zeigt sich zu Saisonbeginn in allen Instrumentengruppen hervorragend aufgestellt und brillieren die Solisten in ihren Aufgaben. Die Stimmung des langen ersten Satzes – ständig drohende Bedrängnis, dumpfes Brüten, unentwirrbares Grübeln – wird in der Interpretation Gattis beinahe unerträglich, so gekonnt vermittelt der italienische Dirigent das Wesen dieser Musik. Ob die hämmernde Groteske des zweiten Satzes nun wirklich das Porträt Stalins – das Ableben des Diktators Anfang März 1953 war zweifellos eine Zäsur im Leben des Komponisten – darstellt oder nicht, sei dahingestellt: Gatti setzt hier nicht auf schneidend brutalen Lärm, sondern lässt das Orchester in seiner ganzen Klangkultur walten, was den kurzen Satz vielleicht noch umso böser macht. Wie in anderen Werken auch, arbeitet Schostakowitsch im dritten Satz mit dem Motiv D-Es-C-H, das die musikalische Umschreibung seiner Initialen darstellt, zusätzlich mit einem weiteren Monogramm aus Tonbezeichnungen – „Elmira“, gemeint ist die Komponistin und Pianistin Elmira Nasirowa, eine Muse des Komponisten. Der Dirigent betont hier das mahlerähnliche der Musik, um den vierten und letzten Satz in seiner sonderbar überdrehten Ausgelassenheit, seinem Gerassel des Irrsinns, interpretatorisch ganz in seiner Zweideutigkeit zu erfassen, handelt es sich dabei doch nur um eine stark eingeschränkte, freudige Manifestation.
Nach dem ersten Abonnementkonzert gibt es heftigen Publikumsjubel für Orchester und Dirigenten.