RIGOLETTO, Melodramma in drei Akten, 1851 in Venedig uraufgeführt, mit der Musik von Giuseppe Verdi und dem Libretto von Francesco Maria Piave, basiert auf dem Drama LE ROI S’AMUSE von Victor Hugo. Zugeständnisse an die Zensur veranlassten den Komponisten, die Handlung vom französischen Hof an den eines unabhängigen Herzogs von Mantua zu verlegen, für die handelnden Personen wurden neue Namen gefunden, an die Stelle des ursprünglichen Titels der Oper – LA MALEDIZIONE – rückt der Protagonist selbst – und schafft Verdi damit eine seiner großen, leidvoll berührenden Vaterfiguren.
Die Regisseurin der aktuellen Neuproduktion an der Oper Graz, Ute M. Engelhardt, die am 15. November 2025 zur Premiere kam, thematisiert schon während des kurzen Vorspiels die Frage nach der Mutter Gildas, Rigolettos Frau, die es an der Seite des Hofnarren und Spaßmachers des Herrschers nicht ausgehalten hat und ihn verlassen hat, und was dieser Verlust für diesen Mann bedeutet. Rigoletto ist in dieser Inszenierung mit der Dramaturgie von Christian Hagemann kein bemitleidenswertes Opfer, sondern ein Egozentriker, der für das Unglück, das ihm letztendlich widerfährt, den Verlust der über alles geliebten Tochter, allein selbst verantwortlich ist. Einen interessanter Regiekniff stellt dabei der Umstand dar, dass die beiden Figuren Rigoletto, der Hofnarr, und Sparafucile, der gedungene Mörder, ineinander übergehen: der Kriminelle, der ihn wie ein finsterer Schatten nachstellt, stellt die dunklen Seiten von Seele und Charakter der ambivalenten, zwischen überheblichem Hofnarren und toxisch veranlagtem Vater changierenden Figur dar, wodurch sich dessen Wahrnehmung und Realität verschieben. In der Inszenierung wird eindringlich wie klug herausgearbeitet, wie die Abwärtsspirale, in der sich Rigoletto befindet, durch den Fluch Monterones beschleunigt wird. Personenregie und Personenführung sind klar den Charakteren auf der Bühne entsprechend: Rigoletto ist im Grunde, was die ungesunde Ich-Bezogenheit betrifft, dem windigen Bürschchen von einem Herzog ebenbürtig. Die durch und durch grausame Handlung wird erzählt, wie sie ist – einfach schauerlich, furchtbar, geprägt von verbrecherischen Charakteren. Eigenartig schrill und bisweilen zu schräg geraten die von Katharina Tasch kreierten Kostüme der Hofgesellschaft, die Bühne von Stephanie Rauch folgt, modernistisch angehaucht, weitgehend erkennbar den Schauplätzen des Librettos, überwiegend stimmig überzeugend ist die Lichtregie von Stefan Schlagbauer.
Die musikalische Gestaltung der Vorstellung am 12. Dezember 2025 setzt vor allem auf (laut)starke Dramatik. Chefdirigent Vassilis Christopoulos lässt es am Pult der Grazer Philharmoniker hoch hergehen, betont extrem das echte Drama, das diese Musik nach außen kehrt. Italienisches Brio, ein wesentlicher Teil von Verdis Musik der Schaffensperiode, der diese Oper entstammt, bleibt leider auf der Strecke, Spritzigkeit, Lebendigkeit, Feuer fehlen diesem heftig starken Dirigat. Die Fahrt nach Graz lohnt dennoch wieder einmal, weil überzeugende Stimmen zu hören sind. Daeho Kim als Il conte Monterone lässt zwar nicht die Bassgewalt eines Komturs hören, der rollenimmanent wäre, kommt jedoch stark genug über die Rampe. Exzellent bassstark und hintergründig singt Wilfried Zelinka Sparafucile, als seine Schwester Maddalena gefällt Neira Muhic mit ansprechendem Mezzosopran. Pavel Petrov reüssiert als Il Duca die Mantova mit schmelzreichem Tenor, der bedauerlicherweise nicht wirklich fokussiert klingt und helles, rollenimmanentes Timbre vermissen lässt. Kurzfristig eingeflogen, hat Katerina von Bennigsen die Rolle der Gilda von der erkrankten Ekaterina Solunya übernommen und findet zu einer starken, überzeugenden, beweglichen Rollengestaltung mit sehr gut geführtem, zu Beginn noch etwas scharfem Sopran. Uneingeschränkt die Krone des Abends gebührt aber dem Bariton Nikoloz Lagvilava in der Titelrolle, der nicht nur eindringlich spielt, sondern ebenso expressiv singt. Sein mächtig schallender, imposanter Bariton füllt das Haus, dass es die wahre Freude ist, lässt aber auch differenzierten, bewegenden Ausdrucksgesang nicht vermissen. Der von Johannes Köhler einstudierte Herrenchor der Grazer Oper hat ebenso wesentlichen Anteil an einem gelungenen Verdi-Abend an der Oper Graz.