Meisterhafte Kammermusik von Anton Bruckner in St. Marien

Das Altomonte Ensemble in der Filialkirche St. Michael in St. Marien - Rèmy Ballot, Peter Aigner, Iris Ballot, Stefanie Kropfreiter, Jörgen Fog

Anton Bruckner, dessen 200. Geburtstag die Musikwelt heuer feiert, hat nur sehr wenig Kammermusik komponiert. Ein herausragendes Werk und Solitär der Kammermusik stellt aber sein zwischen der V. und VI. Symphonie 1878/1879 komponiertes Streichquintett in F-Dur, WAB 112, dar. Das, wie die Streichquintette Mozarts, für zwei Violinen, zwei Violas und Violoncello gesetzte, großdimensionierte Werk wirkt, wie Mathias Hansen in seiner Bruckner-Biografie von 1987 feststellte, „wie ein getreues Echo Bruckner’scher Sinfonien“, finden sich doch auch in diesem Werk durch Generalpausen voneinander abgegrenzte Blöcke. Der erste Satz mit seinem majestätischen Hauptthema gemahnt an den ersten Satz seiner VI. Symphonie. Der dritte Satz, Adagio, stellt eine der tiefsten, reichsten Schöpfungen Bruckners überhaupt dar und besteht auch eine thematische Verwandtschaft dieser bewegenden Musik zum zweiten Satz seiner VI. wie zum zweiten Satz seiner VII. Symphonie, der Trauermusik auf Richard Wagner. Die Codateile des ersten und vierten Satz weisen, wie so oft bei Bruckner, hymnische Züge auf, man vermeint, eine Symphonie ohne Bläser und Pauken zu hören.

Im Rahmen eines Sonderkonzertes der „Internationalen Kammermusiktage St. Marien“ in Oberösterreich hat am 22. September im stimmig intimen Rahmen in der Kirche St. Michael zum 200. Geburtstag von Anton Bruckner das Altomonte Ensemble – bestehend aus Rémy Ballot, 1. Violine, Iris Ballot, 2. Violine, Peter Aigner, 1. Viola, Stefanie Kropfreiter, 2. Viola und Jörgen Fog, Violoncello – dieses wunderbare Werk zur Aufführung gebracht. Die Interpretation des Altomonte Ensembles arbeitet vor allem die großen symphonischen Dimensionen wie die enorme Komplexität des Werkes heraus, besonders auffällig gerät die zur Ekstase gesteigerte Coda des vierten Satzes. Die fünf Musiker scheinen perfekt aufeinander abgestimmt, niemand spielt sich in den Vordergrund, alle hören genau aufeinander und nehmen sich, ganz im Sinne des Reichtums von Bruckners grandioser Musik, viel Zeit für eine durch und durch erfüllte, ergreifende Wiedergabe dieses absoluten Meisterwerkes, wo der spirituelle dritte Satz zum Höhepunkt gerät. Nach der Aufführung merkt man geradezu das Staunen im Publikum über das Wunder bruckner‘scher Kammermusik.

Ergänzt wurde das Konzert im ersten Teil vor der Pause von einer Studienarbeit aus der Feder des großen Symphonikers, dessen Streichquartett c-moll, WAB 111, entstanden 1862 auf Anregung von Joseph Hellmesberger – auch dies eine spannend interessante Begegnung mit einem äußerst selten zu hörenden Werk. Informativ wie inhaltlich gelungen auch die kurzen Einführungen von Peter Aigner, künstlerischer Leiter der „Internationalen Kammermusiktage St. Marien“ sowie Obmann des „Brucknerbundes Ansfelden“, vor Wiedergabe der beiden Werke.

Ein Hinweis zum Schluss: Rémy Ballot, Dirigent und Violinist, einer der bedeutendsten Bruckner-Interpreten unserer Zeit, spielt mit seinem Ballot-Quintett – bestehend aus Iris und Rémy Ballot (Violinen), Stefanie Kropfreiter und Natalia Kuleba (Bratschen) sowie Marta Sudraba-Gürtler (Violoncello) – Bruckners Streichquintett F-Dur WAB 112 auch am 17. Oktober 2024 im Radiokulturhaus Wien um 19:30 Uhr im Großen Sendesaal.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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