Mahlers IX. Symphonie – gläsern klar interpretiert von Kirill Petrenko in der Berliner Philharmonie

Kirill Petrenko inmitten der Berliner Philharmoniker nach der IX. Symphonie von Gustav Mahler in der Philharmonie Berlin © Thomas Rauchenwald

Kirill Petrenko, seit der Saison 2019/2020 Chefdirigent und künstlerischer Leiter des Orchesters, dirigiert die Berliner Philharmoniker am 15. Mai 2025 in der Philharmonie in Berlin. Ein einziges Werk steht auf dem Programm dieses Konzertes, die Symphonie Nr. 9 D-Dur von Gustav Mahler. Dieses singuläre Werk stellt eines der großen Abschiedswerke der Musik dar, dessen geheime Überschrift, wie Paul Bekker vermutete, „Was mir der Tod erzählt“ sei.

„Das überbordernd Moderne an Mahlers Werk liegt in den Ausdruckswelten, die er der Musik eröffnet hat“, bemerkt Malte Krasting im Programmheft. Da der Komponist sein Werk weder selbst dirigiert noch gehört hat, es wurde erst 1912 von Bruno Walter nach dem Tod Mahlers 1911 uraufgeführt, bedeutet es für alle Interpreten eine besondere Herausforderung bei der Ausdeutung des Notentextes, bemerkt im Wesentlichen Kirill Petrenko vor seinem Dirigat von diesem „musikalischen Testament“: „Wie bei seinen vorhergehenden Orchesterwerken hätte er auch hier noch an der Instrumentation und Balance gefeilt.“, so Petrenko weiter.

Über den vierten Satz, jenes herrlich großartige Adagio, dessen transzendenten Klänge nicht mehr von dieser Welt zu sein scheinen, schreibt der österreichisch-deutsche Schriftsteller, Drehbuchautor und Schauspieler Robert Seethaler in seinem kurzen Roman „Der letzte Satz“, einem ergreifenden Porträt des Künstlers Gustav Mahler am Ende seines Lebensweges: „…: ein Doppelschlagthema im Aufstieg zum Fortissimo und dann ein Abstieg ins Pianissimo und immer weiter. Langsam und noch langsamer auströpfelnd, versiegend ins Unhörbare. … eine Auflösung. Ein Verstummen in der Ewigkeit.“

Wenn Kirill Petrenko und das an diesem Abend in Galaformation an diesem Abend angetretene, in allen Gruppen bestens aufgestellte, mit unglaublicher Klang- wie Spielkultur aufwartende Orchester nach drei großartig musizierten, ergreifenden Sätzen noch zulegen und diesen vierten Satz in atemberaubender Transparenz wie endzeitlich zwingend gestalten, ist das Publikum ob dieser klar kristallinen, gläsernen Interpretation völlig gebannt, ganz still wie heute selten im Konzert. Das Ergreifende, Besondere, Außergewöhnliche an dieser Wiedergabe ist, dass Petrenko damit an die besten Interpreten der jüngeren Vergangenheit –  wie Leonard Bernstein, Herbert von Karajan, Bernard Haitink und Mariss Jansons – von Mahlers Musik, „eine Musik, vor der es manchmal scheint, als sei sie jenseits ihrer selbst“ (Carl Dahlhaus) anschließen kann, soll heißen, deutlich nachvollziehbar macht, wie nicht nur dieses Werk, sondern das ganze (19.) Jahrhundert endgültig morendo verlischt.

Stehende Ovationen nach langer, absoluter Stille – man kann die Stille förmlich hören an diesem Abend – für Kirill Petrenko und sein Orchester in der Philharmonie.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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