Die aus Georgien stammende, nunmehr in der Schweiz lebende Pianistin Khatia Buniatishvili ist seit Studienzeiten eng mit Wien und dem Musikverein verbunden. Für ein Solorezital kehrt die Künstlerin, die sich mittlerweile zu einer Ausnahmepianistin entwickelt hat, am 9. November 2025 in den Großen Saal zurück – um einerseits zu begeistern, andererseits, wenngleich auf höchstem Niveau, zu irritieren.
Die reiche Klangfantasie wie der romantische, ins Extreme neigende Ausdruckswille der Klaviermusik von Franz Liszt ist bei der Vollblutpianistin in besten Händen. Den Ton der leidenschaftlichen Gefühlssteigerungen und den ruhigen, entschlummernden Gesang der Consolation Nr. 3 Des-Dur trifft sie genau, wie auch jenen der Ungarischen Rhapsodie Nr. 6 Des-Dur, vor allem den ungezwungenen Charakter der diesem Stück innewohnenden ungarischen Folklore, gesteigert in einer virtuosen Stretta, wo ihre Virtuosität schier Staunen macht. Als Zugaben gibt es zunächst das ruhige Adagio von Benedetto Marcello, von Johann Sebastian Bach bearbeitet, dann, ebenfalls von Franz Liszt, die Ungarische Rhapsodie Nr. 2 cis-moll, in einer Bearbeitung von Vladimir Horowitz, wo bereits der hochvirtuose Aplomb des Stückes, gesteigert noch durch ihre entfesselte Wiedergabe, beeindruckt.
Im Mittelteil des pausenlos gespielten Programmes zwei Transkriptionen von Franz Liszt über Lieder von Franz Schubert: Gretchen am Spinnrad und das Ständchen, beide von der Pianistin sehr sensibel vorgetragen.
Ungemeines Fließen, einem pianistischen Strom gleichkommend, zeichnet den Abschluss des ersten Teiles des Konzertes mit Werken von Franz Schubert aus, wenn sich Khatia Buniatishvili dem Impromptu Ges-Dur D 899/3 widmet.
Ungewohnt an den Beginn des Programmes, das Werk stellt in der Regel Hauptwerk und Abschluss eines Klavierabends dar, setzt die Künstlerin die Sonate B-Dur D 960 von Franz Schubert, ein Stück das auch ihr Lehrer, Oleg Maisenberg, sehr gerne und hervorragend interpretiert hat, dessen fein subtilen Anschlag vor allem im Diskant die Pianistin nicht verleugnen kann. Ansonsten ist es aber ganz „ihr“ Schubert, der gleichermaßen fasziniert wie irritiert. Manche Tempi – ungemein langsam, getragen, verhalten – erinnern an Valeri Afanassiev, besonders der zweite Satz droht immer wieder zu zerfallen, meisterhaft, wie Frau Buniatishvili dies durch ein Halten von höchster Spannung am Steinway-Flügel verhindert. Auch im ersten Satz, mit Wiederholung der langen Exposition, werden die langen Pausen extrem gedehnt, manche Passagen nimmt sie dann betont schnell, wie überhaupt der dritte und vierte Satz nur so dahinfliegen, einem fulminant gesteigertem Ausklang entgegen.
Khatia Buniatishvili Interpretation der letzten Sonate von Schubert ist, zusammenfassend, eine besondere, die man mögen kann, nicht mögen muss, das selten unruhige, störend undisziplinierte Publikum sagt eigentlich alles. Schuberts Abgründe, seine Zerrissenheit, sein Schmerz und seine Verzweiflung liegen in dieser Interpretation dicht neben seiner unvergleichlichen Schönheit. Ebenso Trumpf ist Emotionalität in ihrem Klavierspiel, dunkle, verhangene Klangfarben dominieren. Besonders hat der in seiner Langsamkeit tiefgründig gespielte zweite Satz herausgefordert – und, wenn man sich darauf einlassen kann, eigenartig verstörend angesprochen.