Liebesleid verstörend großartig – Matthias Goerne und Jewgenij Kissin im Musikverein

Matthias Goerne und Jewgenij Kissin im Wiener Musikverein © Thomas Rauchenwald

Der Liederabend am 13. März 2024 im Großen Saal im Wiener Musikverein stellt ein Gipfeltreffen zweier ungemein bedeutender Künstler dar: Der Bariton Matthias Goerne, der heute zu den gefragtesten Sängern seines Stimmfaches gehört und der Pianist Jewgenij Kissin, der zu den herausragenden Klaviervirtuosen unserer Zeit zählt, gestalten gemeinsam Lieder von Robert Schumann und Johannes Brahms.

Inhalt und Ablauf dieses Abends erweisen sich als überaus speziell: In 75 pausenlosen Minuten spannt sich ein Bogen von drei Liedern von Schumann über dessen Liederzyklus „Dichterliebe“ op. 48 zu vier Liedern von Brahms, um mit dessen Zyklus „Neun Lieder und Gesänge“ op. 32 zu enden. Die einzelnen Teile gehen dabei nahtlos ineinander über, was eine besondere Herausforderung nicht nur für die Interpreten, sondern auch für das Publikum darstellt.

Nicht nur Schumann und Brahms standen ja in besonders enger Beziehung zueinander, auch die Biografien der drei Dichter, von denen die Vertonungen der im Konzert interpretierten Lieder stammen – Heinrich Heine, August von Platen-Hallermünde und Georg Friedrich Daumer – sind eng miteinander verflochten.

Höchstes Liebesleid, verzehrendes Liebesweh, tiefster Liebesschmerz ohne Ende könnte man den roten Faden über die Werke des heutigen Abends titulieren und den beiden Künstlern gelingt eine großartige, wenngleich ebenso verstörend irritierende Interpretation, weil echt, tief und todernst.

Bei Matthias Goerne beeindruckt, ja besticht vor allem dessen Gestaltungs- wie Ausdruckskraft, die er seiner Interpretation angedeihen lässt. Seine imposante Stimme ist erstklassig geführt, deckt sämtliche dynamischen Nuancen ab, die Artikulation ist hervorragend, die Stimmungen jedes einzelnen Liedes erzeugt und vermittelt er jeweils ganz aus der Musik heraus, lediglich die Wortdeutlichkeit und Textverständlichkeit gerät bei dieser artifiziellen Wiedergabe ein wenig in den Hintergrund. Jewgenij Kissin am Flügel der Marke „Steinway“ ist viel mehr als ein Begleiter, ja setzt ungemein eigene, starke gestalterische Akzente, sodass jedes Lied einem Minidrama gleichkommt.

Ein überzeugender Abend vor allem für Kenner, was erfüllten Liedgesang betrifft.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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