Erst Mitte dreißig, zählt Lahav Shani mittlerweile zu den international gefragtesten Dirigenten. Am Wochenende war er mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra, dem er seit 2018 als Chefdirigent vorsteht, zu Gast im Wiener Musikverein, der dem Dirigenten in dieser Saison einen eigenen Fokus widmet.
Den ersten Teil des Konzertes am 7.12.2025 beschließt eine ungewöhnliche Zugabe – „Friede sei mit Euch“, für Violine, Klarinette und Percussion der Violinistin Patricia Kopatchinskaja. Zuvor begeisterte wie berührte diese Künstlerin mit einer herausragenden Wiedergabe des Konzertes für Violine und Orchester Nr. 1 a-moll op. 77 von Dmitrij Schostakowitsch. Auf der einen Seite ungemein expressiv, auf der anderen Seite ganz kontemplativ innig gestaltet sie dieses Werk auf der von ihr gespielten, von Giovanni Francesco Pressenda (Turin) 1834 gebauten Geige, einem englischen Musikmagazin zufolge „ein farbenreich klingendes Instrument, dessen Viola-ähnliche Qualität ihrem Spiel ein außerordentliches tonliches Interesse verleiht“. Da ist nicht nur stupende Virtuosität und Geigentechnik zu vernehmen, sondern auch eine tief empfundene, dem Inhalt des Werkes auf den zentralen Gehalt gehende Interpretation der exaltiert wirkenden, gewohnt barfuß auftretenden Violinistin zu hören. Diese Gestaltung ist stets höchst konzentriert, Tiefe dominiert neben Brillanz, grotesker Humor darf dabei nicht fehlen. Schostakowitsch hat das Werk für den großen David Oistrach geschrieben. „Je mehr ich mich in das Konzert vertiefte, je aufmerksamer ich seinen Klängen lauschte, umso mehr gefiel es mir …, umso stärker fesselte es meine Gedanken und ergriff Besitz von meinem ganzen Fühlen.“ – schrieb dieser in einem Artikel 1956 über dieses Konzert – und man hatte den Eindruck, die Solistin hat sich genau dieses Credo bei ihrer energetisch aufgeladenen Sichtweise dieses Werkes zu Herzen genommen. Shani und sein Orchester treten in einen regelrechten Wettstreit mit der Solistin, angenehm glatt oder gefällig klingt bei dieser zwingenden Interpretation so gut wie nichts.
Eine vom Orchester sehr motiviert gespielte, vom Dirigenten souverän disponierte Symphonie Nr. 3 Es-Dur op.55 „Eroica“ rundet das Programm nach der Pause ab, erreicht aber nicht die interpretatorischen Höhen des ersten Programmteils.