Der aus einer Musikerfamilie stammende, 1996 geborene Dirigent Klaus Mäkelä hat an der Sibelius-Akademie in Helsinki Dirigieren beim großen Dirigentenlehrer Jorma Panula studiert. Bereits mit 29 Jahren ist der junge Mann Chefdirigent des Oslo Philharmonic Orchestra und des Orchestre de Paris, ab der Saison 2027/2028 wird er Chefdirigent des Koninklijk Concertgebouw Orkest Amsterdam und des Chicago Symphony Orchestra. Das Wiener Konzerthaus widmet ihm in der eben begonnen Saison 2025/2026 einen eigenen Zyklus, wo er seine programmatischen und interpretatorischen Vorstellungen als Dirigent klar zur Geltung bringen kann.
Zu Saisonbeginn leitet Mäkelä die Damen und Herren aus Amsterdam in zwei Konzerten im Großen Saal. Nach Mozart, Prokofieff und Bartok am Vortag stehen im Konzert am 4. September 2025 Kompositionen von Franz Schubert/Luciano Berio und Gustav Mahler auf dem Programm.
„Rendering“, uraufgeführt eben vom Koninklijk Concertgebouw Orkest Amsterdam unter Nikolaus Harnoncourt im Juni 1989 in Amsterdam, ist das Werk zu Beginn. Es handelt sich dabei um eine Restaurierung von Skizzen Franz Schuberts zu einer zehnten Symphonie D-Dur D 936 A von Luciano Berio, eine Neuzusammensetzung von Schuberts Material, das deutlich von Beethoven weg auf Mendelssohn und Schumann zuführt und auch auf die Expressivität Gustav Mahlers hindeutet. Klaus Mäkelä lässt sein Orchester aufspielen, die Wiedergabe gerät charmant wie nachdrücklich, man möchte das gelungene Werk öfter hören.
Nach der Pause dann eine Herausforderung für jedes Orchester wie jeden Dirigenten – die Symphonie Nr. 5 cis-moll von Gustav Mahler. „Mit der Fünften beginnt ein neuer Mahler. … In der Fünften findet zum erstenmal die gewaltige Bataille zwischen Mahlers Ego und der Welt statt. … Mahlers Ich hat sich gestärkt. … Es fehlt ihr das Visionäre. Die Fünfte ist eine Symphonie der Realitäten.“ – Alma Mahler, die Frau des Komponisten hat das Werk – absolute Musik, Mahler hat keine Literatur vertont, kein Programm gegeben oder den Inhalt gedeutet – gut gekannt.
Der erste Satz, der einleitende „Trauermarsch“, klingt mit „gemessenem Schritt“ wirklich „Streng. Wie ein Kondukt“, bis er sich resignativ auflöst: Mäkelä arbeitet das gekonnt, fast schon überdeutlich heraus. Im zweiten Satz „Stürmisch bewegt, mit größter Vehemenz“ meint man, er stürze er das gebannte Auditorium mit bereits unglaublicher interpretatorischer Reife in tiefe seelische Abgründe. Im ausgedehnten „Scherzo“, dem dritten Satz, dominiert reinste Spielfreude und wird so, der trüben, mitunter infernalischen Stimmung der vorangegangenen beiden Sätze eine schöne, ausgewogene, mit Ländlern und Walzern nahezu romantische Stimmung, die Mäkelä stark akzentuiert, gegenübergestellt. Im vierten Satz, im berühmten „Adagietto“, lässt sich der junge Dirigent vom Orchester förmlich mitreißen und gestaltet manche Phrasen noch gefühlvoller als gewohnt. Vorzüglich in Tempo und Ausdruck gerät auch der letzte Satz, das „Rondo-Finale“, dessen Reichtum an thematischer und kontrapunktischer Eingabekraft der Dirigent in einem stromartig gesteigerten Schluss gipfeln lässt. Vielleicht hätte eine mitunter etwas flüssigere Gangart nicht geschadet, der junge Mann brennt aber förmlich für die Musik und begeistert mit seiner starken, spannungsgeladenen Interpretation.
Das Orchester mit seinem erdig dunklen, leuchtend transparenten, großen Klang zeigt sich von seiner besten Seite, großartig geraten die Soli von Horn und Klarinette.
Nach Ende der Symphonie jäh aufbrandender, langer Publikumsjubel zu Saisonbeginn im Wiener Konzerthaus.