Großsymphonisches und Zeitgenössisches – die Münchner Philharmoniker im Musikverein

Renaud Capucon, Daniel Harding und die Münchner Philharmoniker © Thomas Rauchenwald

In den letzten Jahrzehnten prägten Chefdirigenten wie Rudolf Kempe, Sergiu Celibidache, James Levine, Christian Thielemann und Lorin Maazel die Münchner Philharmoniker. Nach dem unrühmlichen Abgang von Valeri Gergiev wurde nun Lahav Shani zum neuen Chefdirigenten ernannt, der sein Amt im Herbst 2026 antreten wird. Derzeit und bis dahin stehen eine Reihe renommierter Gastdirigenten am Pult des 1893 gegründeten Orchesters der bayerischen Landeshauptstadt und ist das Orchester am 11. April 2024 mit Daniel Harding zu Gast im Wiener Musikverein.

Den spezifischen Klang – transparent, befreit von aller Erdenschwere, dabei aber doch groß, rund und mächtig – des vor allem für seine Interpretationen der Symphonien Anton Bruckners legendären Celibidache hat das Orchester noch immer in den Genen, wenn es die Symphonie Nr. 4 Es-Dur, die „Romantische“, in der Fassung 1878-1880, des aus Oberösterreich stammenden, genuinen österreichischen Symphonikers, dessen 200. Geburtstag heuer gefeiert wird, interpretiert. Daniel Harding setzt dabei auf organische Tempi – siebzig Minuten, nicht zu schnell, nicht zu langsam, dauert seine Interpretation, die vor allem spannungsgeladen daherkommt, stilsicher, detailgenau, kleine Intonationstrübungen des Orchesters vermögen den gelungenen Gesamteindruck nicht zu beeinträchtigen. Seit 2015 ist der in Chile geborene Matias Pineira Solo-Hornist des Orchesters und der bewältigt seine herausfordernde Aufgabe in diesem Werk stilsicher wie mit Bravour, was ihm einen tosenden Extra-Applaus des Publikums beschert. Das Orchester, das im strömend musizierten Finale noch seine Reserven hat, zählt immer noch zu den besten, wenn es um die Wiedergabe der Symphonien Anton Bruckners geht.

Vor der Pause erklingt ein Werk des 1965 geborenen französischen Organisten, Komponisten und Hochschullehrers Thierry Escaich, sein am 10. April 2024 von den Münchner Philharmonikern unter Daniel Harding uraufgeführtes „Au-delá du reve.“ Konzert für Violine und Orchester Nr. 2. Wie bei der Uraufführung tags zuvor wird der Solopart vom französischen Geiger Renaud Capucon auf der Violine „Panette“ von Guarneri des Gesú aus 1737, die zuvor Isaac Stern gehörte, gespielt. Das interessante, spannende Werk ist technisch enorm herausfordernd, Capucon trägt es mit feinem, vibrierendem Ton vor, über den technischen Schwierigkeiten stehend. Die „extremen Klangräume“ und „Träume“ – Ausdrucksnuancen der um schwierige Spieltechniken erweiterten  Solovioline – werden von einem groß besetzten Schlagwerk ergänzt, Harding und dem Orchester gelingt eine ungemein stilsichere Wiedergabe. Für eine Zugabe ist der Solist nach dieser Tour-de-force – verständlicherweise – nicht zu gewinnen.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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