2024 zum Ehrenmitglied der Wiener Philharmoniker ernannt, dirigiert er das Orchester nunmehr seit 2000 und ist er der Formation durch eine enge Zusammenarbeit mittlerweile besonders vertrauensvoll verbunden, der Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden, Christian Thielemann. Und er sorgt mit zwei Solisten und dem Orchester am 6. April 2025 für eine veritable Sternstunde mit Werken von Johannes Brahms.
Das Hauptwerk im achten Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker in der laufenden Saison stellt die im Oktober 1885 in Meiningen uraufgeführte Symphonie Nr. 4 e-moll op. 98 des gebürtigen Hamburgers und Wahlwieners dar. Drei Tage vor der Uraufführung fand Hans von Bülow über dieses Werk: „Eben aus der Probe zurück, No 4 riesig, ganz eigenartig, ganz neu, eherne Individualität. Atmet beispiellose Energie von A bis Z.“ – und mochte man als Hörer der herausragenden Interpretation Thielemanns an diesem philharmonischen Vormittag unmittelbar an diese Zeilen denken. Thielemann stachelt das Orchester, von einer kleinen Irritation im Blech im ersten Satz abgesehen, zu einer höchst passionierten, vorwärtsdrängenden, dabei auch transparent schroffen Interpretation an. Die MusikerInnen, angeführt von Konzertmeisterin Albena Danailova, folgen ihm dabei auf den Stuhlkanten sitzend mit sicht- wie hörbarer Freude. Was soll man aus dieser herrlichen Interpretation des Höhe- und Endpunktes von Brahms‘ symphonischen Schaffen herausgreifen? Die verschwenderische Fülle, mit der die musikalischen Ideen des ersten Satzes in den Goldenen Saal des Wiener Musikvereins nur so strömen? Das Hinsteuern und Fließenlassen der seligen Streicherphrase im zweiten Satz? Den unwirsch und richtig übersteuert wiedergegebenen, mitreißend grotesken Tanz des dritten Satzes? Oder den von leidenschaftlicher Strenge wie voller Wärme gekennzeichnete, und von Thielemann nahezu ehern herausgemeißelte vierte Satz, wo der Dirigent die Satzbezeichnung Allegro energico e passionato ganz besonders wörtlich zu nehmen scheint.
Im ersten Teil der Matineè vor der Pause gab’s noch Brahms‘ letztes Konzert und letztes Orchesterwerk überhaupt zu hören, das im Oktober 1887 in Köln uraufgeführte Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-moll op. 102, welches einen wichtigen Beitrag für die in der Spätromantik kaum gepflegte Gattung des Doppelkonzertes bzw. der Sinfonia concertante darstellt. Gespielt wie von den Wiener Philharmonikern unter Thielemann und den beiden herausragenden Instrumentalisten Augustin Hadelich (Violine) und Gautier Capucon (Violoncello) erscheint es unverständlich, dass dieses ausnehmend schöne Werk nicht die Beliebtheit der anderen drei Instrumentalkonzerte von Brahms genießt. In nahezu perfekter Harmonie konzertieren die beiden Solisten gemeinsam und im Verein mit dem Orchester, die fein gezogenen Linien von Hadelich auf seiner „Leduc, ex Szeryng“, einer Violine von Giuseppe Guarneri del Gesù aus 1744, stehen im herben, wundervollen Kontrast zum sonor glühenden Celloton von Capucon auf seinem Cello „L’Ambassadeur“ von Matteo Goffriler aus 1701. Wunderbare Feinheit trifft da auf tiefe Klangfülle im Zusammenspiel der beiden Instrumente, die beiden Solisten bedanken sich beim begeisterten Publikum mit einer Fassung für Violine und Violoncello des Ungarischen Tanzes Nr. 5 von Brahms, wo beide auf besondere Virtuosität setzen.