Anton Bruckners zwischen 1881 und 1883 entstandene Symphonie Nr. 7 E-Dur WAB 107 ist eines der beliebtesten Werke des Meisters, das seinen späten Durchbruch zum Weltruhm bedeutete, wahrscheinlich sein typischstes überhaupt.
Riccardo Muti am Pult der einfach in allen Instrumentengruppen hinreißend disponierten Wiener Philharmoniker am Vormittag des 16. Februar 2025 im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins nimmt sich dafür Zeit. Sehr viel Zeit. Hin und wieder vielleicht gar zu viel Zeit. Wer aber bereit ist, sich auf seine Gangart einzulassen und genau hinzuhören, wird in diesen 75 Minuten, in denen sich das Werk entfaltet, aufs Reichste beschenkt. Richtigerweise wählt der Dirigent die Orchesteraufstellung mit den zweiten hinter den ersten Geigen und den Celli hinter den Bratschen: Nur so können sich in der Klimax der Reprise im ersten Satz vor der Coda Bratschen und Celli gegen das schon flirrend ekstatische Tremolo der Violinen durchsetzen. Muti setzt ganz auf Transparenz und Leichtigkeit, lässt den herrlichen Orchesterklang nur so schweben. Phrasierungen, Übergänge, aufgebaute Steigerungen gelingen ihm aus einem Guss, aus einem nie versiegenden Fluss. Spannungsbögen baut er langgezogen auf, kann diese meisterhaft halten, dass nicht einmal im Ansatz einer davon abzureißen droht und es wäre geradezu beckmesserisch zu erwähnen, dass das martialisch Zwingende von Bruckners Musik bei dieser Gangart nicht im Vordergrund steht, sondern organisch fließende Übergänge. Geprägt ist diese Wiedergabe von einem schon luxuriös zu nennenden Schönklang des Orchesters, ja man muss von einer vollendeten Schönheit sprechen, die Muti dem Orchester entlockt. Die Wiener Philharmoniker schwelgen förmlich in satten, herbstlichen Farben und die samtig schimmernden Celli und famos abgetönten Tuben im Adagio, während dessen Ausarbeitung der Komponist die Nachricht des Todes von Richard Wagner erhielt, vermögen tief zu beeindrucken – wie auch die formidable Gesanglichkeit, die Muti nie aus den Augen lässt. Nach einem letzten Durchatmen schießt die Coda im vierten Satz, wie auch schon im ersten, dann förmlich nur so heraus und beschert der philharmonischen Matinee einen atemberaubenden Schluss.
Vor der Pause erklingt noch die Symphonie Nr. 4 c-moll, D 417, „Tragische“, von Franz Schubert. Das Werk, das keine Abgründe enthält, eher ein lyrisches Werk voll melancholischer Sanftheit darstellt, erinnert in der fließend schimmernden Interpretation von Muti bereits an die elegische Wehmut in den Kompositionen von Joseph Strauss, wie Schubert und Bruckner ein genuin österreichischer Komponist.
Wie gewohnt donnernde Ovationen vom Publikum im Musikverein für das Orchester und Maestro Muti nach einem einfach großartigen, innig verinnerlichten wie tiefgehenden Konzert – mit einem Programm, das der Maestro als „Triumph der österreichischen Kultur“ bezeichnet.
Kommentare
Sehr geehrter Herr Rauchenwald,
wie Sie besuchte ich das Konzert der Wiener Philharmoniker unter Maestro Riccardo Muti am 16.2.25.Aber auch schon am Vortag einschl.der Generalprobe.
Ich freute mich sehr darauf ( wie auf jedes folgende Konzert des Maestro,wie ich in meinem letzten Kommentar zu dessen Neujahrskonzert ausführte),da es mein erstes Konzert im Wiener Musikverein war.Ich war in meiner Schulzeit ca .20 Jahre hintereinander in Wien ,aber nur in der Staatsoper.Dann folgten 40 Jahre Salzburger Festspiele mit den Wienern und Muti.Jetzt habe ich es begonnen zu ändern ,wobei Salzburg weiter fester Bestandteil bleibt.
Die exzellente Akustik des Goldenen Saals nun in Natura zu erleben war schon überwältigend.
Mit diesem Orchester und diesem Dirigent ist das nicht mehr zu toppen.
Ich habe Schuberts “ Tragische “ mit Muti und den Wienern schon mehrere Male in Salzburg erleben dürfen ,ebenso Bruckners 7.Symphonie,allerdings nicht so oft.
Die ersten Male war es im Jahr 2001 bei Bruckner und 2004 bei Schubert.
Der Vergleich zeigt mir eine Steigerung,die sehr eindrucksvoll ist.
Mutis Fähigkeit immer tiefer in die Musik und die Intention des Komponisten einzutauchen und Dinge zu Tage zu bringen,die vorher keine so große Beachtung erfahren hatten,sind bewundernswert.
Muti ist ein exzellenter Schubert- Dirigent.Eigentlich der Beste.Keiner kann so Schubert dirigieren ,wie er.
Er versteht es diese leise Zartheit und unendliche Innigkeit zum Ausdruck zu bringen,die dann auch der Ausdruck des Traurigen ist,was für Schubert eben tragisch ist.Und das ist der Weg,wie Schubert das vermittelt .Die Verzweiflung und der Schmerz,die Ausweglosigkeit findet im Lieblichen seinen Ausdruck.Schmerzlicher als in Lautstärke und Auflehnung.
Schon der Auftakt wird von Muti wegweisend leise genommen .
Es freut mich,daß auch Sie dies so sehen.
Die gleiche Sichtweise wie ich haben Sie auch auf die Bruckner Symphonie.
Wenngleich sich hier im Vergl.zu Schubert ein monumentaleres,sich mehr Gehör verschafgendes Werk zeigt,um die Verzweiflung auszudrücken,sind auch hier die innigeren Töne des Schmerzes vorhanden.
Sowohl bei Schubert ,als auch bei Bruckner führte Muti hier und jetzt zu einer überragenden Vollendung der Werke, aus seiner Erfahrung und seiner unermüdlichen Arbeit mit und an den Werken schöpfend.
Es ist sehr schön,daß er die 2 österreichischsten Komponisten in einem Konzert gepaart hat.Schubert ist ja der Weg zu Bruckner.
Diese Paarung erwartet uns ja auch wieder bei den kommenden Salzburger Festspielen.Allerdings mit einer Bruckner Messe .
Ich bin gespannt.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Jesch