Barockoper blutig im MusikTheater an der Wien: AMBLETO von Francesco Gasparini

Erika Baikoff (Ophelia) blutverschmiert in der Badewanne: Szenenfoto aus AMBLETO im MusikTheater an der Wien © Herwig Prammer

Mit „Eine Blutschlacht im Familienkreis“ ließe sich diese Neuproduktion im MusikTheater an der Wien übertiteln, erweist sich doch AMBLETO als ausgewiesen brutale Sache unter Verwandten, sodass Filmregisseure wie Alfred Hitchchok oder Lars van Trier mit diesem aktuellen Thriller ihre Freude gehabt hätten: Regisseurin Ilaria Lanzino inszeniert das in der Karnevalsaison 1705/1706 in Venedig am Teatro San Cassiano uraufgeführte Dramma per musica in drei Akten mit dem Libretto von Apostolo Zeno und Pietro Pariati nach der Gesta danorum von Saxo Grammaticus als Blutschocker allerersten Grades.

Dabei folgt die Regie einer von Christian Schröder neu konzipierten Dramaturgie: Zu sehen ist eine moderne Familiengeschichte, eine stark an William Shakespeares Tragödie The Tragicall Historie of Hamlet, Prince of Denmarke orientierte Familienhölle à la August Strindberg, erzählt anhand der überlieferten Arien. Die Originalnamen der handelnden Personen in Gasparinis Oper werden durch die von Shakespeare eingeführten Rollennamen ersetzt. Die rudimentär vorhandenen Rezitative wurden nicht ergänzt: Arie folgt auf Arie, zum besseren Verständnis des Handlungsverlaufes werden Einspielungen von Auszügen wichtiger Stellen des Textes Shakespeares mit Sounduntermalungen eingesetzt.

Durch den Verzicht auf die Rezitative läuft die Handlung rasch, beinahe filmartig ab. Personenführung wie Personenregie geraten stark, das Sängerensemble ist auch schauspielerisch darstellerisch stark gefordert. Diese Art von Musiktheater kommt in der am 12. Mai 2025 besuchten Aufführung auch bei den erfreulich zahlreich vorhandenen, jungen Menschen hervorragend an, woraus aus dem lauten, heftigen Applaus besonders aus diesem Teil des Publikums zu schließen ist. Unterstützt wird die Regisseurin bei ihrer gelungenen, überzeugenden Regiearbeit von Martin Hickmann (Bühne), Vanessa Rust (Kostüme) und Anselm Fischer (Licht).

Von Gasparinis Original sind, was die Musik betrifft, nicht mehr als die Arien und Duette vorhanden. Die verloren gegangene Orchesterpartitur wurde von Raffaele Pe und seinem Ensemble La Lira die Orfeo neu geschaffen und mit Perkussion erweitert. Sängerdienlich schlank, transparent, mit sinnlichem Swing und Wärme wird vom Ensemble, das von Konzertmeisterin Elisa Citterio stehend geleitet wird, musiziert: Der musikalische Leiter der mit Streicher, Bläsern, Theorbe und Orgel klein besetzten Formation tritt nämlich auch auf der Bühne in der Titelpartie auf – und kann dabei bedauerlicherweise nur bedingt überzeugen, klingt sein Countertenor an diesem Abend doch oft grell und hohl dröhnend, wenig geschmeidig, mitunter belegt, ausgenommen in den leisen, tiefen Passagen. Der zweite Counter des Abends, Maayan Licht als Laertes, gefällt da stimmlich weit besser, sein Auftritt mit hervorragender Gesangsleistung wird leider durch übersteigerten Aktionismus auf der Bühne beeinträchtigt. Miklós Sebestyén als Claudius und Nikolay Borchev als Polonius agieren rollendeckend. Die deutlich besten Gesangsleistungen des Abends erbringen Erika Baikoff als Ophelia, die ihren Sopran beweglich und glänzend einzusetzen versteht, sowie Ana Maria Labin als Gertrude mit vornehm eleganter Sopranstimme.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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