Avantgarde sinnlich virtuos – Anton Gerzenberg im Wiener Konzerthaus

Nach seinem Solo-Rezital im Schubert-Saal des Wiener Konzerthauses: Anton Gerzenberg © Thomas Rauchenwald

Mit dem Ersten Preis beim Concours Géza Anda 2021 und dem Martha Argerich Steinway Preis 2024 ausgezeichnet, hat der 1996 in Hamburg geborene Pianist Anton Gerzenberg, Sohn der Pianistin Lilya Zilberstein, Aufsehen erregt. 2022 bis 2024 hat er sich bereits als „Great Talent“ des Wiener Konzerthauses präsentiert, jetzt, am 23. September 2025, kehrt er im Rahmen des Zyklus Aventures für ein Solo-Rezital in den Schubert-Saal zurück. Das höchst anspruchsvolle, ausgefeilte Programm, das er gewählt hat, würde auch Pierre Laurent-Aimard, bei dem er studiert hat, zur Ehre gereichen, mit diesem teilt er auch sein starkes Engagement für Neue Musik.

Mittlerweile eine der herausragenden Erscheinungen der jüngeren PianistInnengeneration besticht Anton Gerzenberg nahezu in diesem Konzert, zu dem auffällig viel junges Publikum erschienen ist, durch sein virtuoses und sensibles Spiel.

Zu Beginn die Suite für Klavier op. 25 von Arnold Schönberg, entstanden 1921 bis 1923, das erste Werk des Komponisten, dessen sämtliche Sätze aus einer einzigen Zwölftonreihe resultieren: Gerzenberg führt damit vor, wie sinnlich Zwölftonmusik gespielt werden bzw. klingen kann. Danach Incises pour piano von Pierre Boulez, ein höchst virtuoses Bravourstück, ungemein energisch wiedergegeben. Vor der Pause dann noch eines der frühesten und wichtigsten Werke von Karol Szymanowski, der 1915 und 1916 entstandene Zyklus Masken. Drei Klavierstücke op. 34, stilistisch an Debussy, Ravel und Skrjabin orientiert, von dem das zweite Stück, „Tantris der Narr“ – neben einer duftigen „Sheherezade“ und der forschen „Eine Don Juan-Serenade“ – in der Interpretation Gerzenbergs am stärksten wirkt.

Das kurze Fragment des Symphonies pur instruments á vent à la mèmoire de C. A. Debussy aus 1920 von Igor Strawinski als Erstaufführung im Wiener Konzerthaus eröffnet den zweiten Teil des Abends nach der Pause – unmittelbar übergehend in Six èpigraphes antiques von Claude Debussy, entstanden 1914 und 1915, in der Fassung für Klavier zu zwei Händen. Die schillernde Farbenpracht Debussys bringt Gerzenberg mit seinem subtilen Klavierspiel vollends zur Geltung, die evozierten Bilder – archaische, exotische Bilder: Pan, den Gott des Sommerwindes, einen namenlosen Grabstein, die günstige Nacht, eine Tänzerin, eine Ägypterin, der Morgenregen – erzählen vom Tod.

Abschluss und Höhepunkt des Rezitals bildet aber die Deuxieme Sonate pour piano, entstanden in den Jahren 1947 und 1948, von Pierre Boulez. Nach einer kompetenten, interessanten, wie ob der Komplexität des Stückes auch willkommenen Einführung, nimmt Gerzenberg das aufmerksam lauschende Publikum auf seine spannende Reise durch ein Gipfelwerk der Klavier-Avantgarde mit. Dieser in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Musik dient der junge Pianist mit stupender Technik und großem interpretatorischen Einfühlungsvermögen einerseits, andererseits ist eine selbstlos kraftvolle Ausführung dieser Musik, die zur schwierigsten überhaupt gehört, zu erleben. Ausgehend von der Sonaten-Tradition Beethovens, führt Boulez‘ Kompositionstechnik zu einer „Zertrümmerung der Sonaten-Idee“, wie der Komponist selbst bekannte. Einfach überwältigend, wie Gerzenberg diesen viersätzigen Sturm bändigt und in den Saal tönen lässt: „Ein Löwe, der bei lebendigem Leibe gehäutet wird“, erinnerte sich Olivier Messiaen einmal ob der schöpferischen Persönlichkeit des jungen Boulez – diesem Gedanken wird Gerzenberg mit seinem ungemein dringlichem Klavierspiel atemberaubend gerecht.

Nach dem Publikumsjubel führen zwei Zugaben – Beethoven und Debussy – in ruhig(er)e Gefilde.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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