„Tristan und Isolde“ erst nach einer musiktheatralen Erkenntnis: STEFAN HERHEIM im Gespräch

Regisseur Stefan Herheim, inszenierender Intendant am MusikTheater an der Wien © Thomas Rauchenwald

Seit Oktober 2024 spielt das MusikTheater an der Wien wieder in seinem Stammhaus an der Linken Wienzeile und steht seit Januar 2025 wieder im Vollbetrieb. Heute Vormittag, am Donnerstag, den 10. April 2025, hat Intendant Stefan Herheim nun bereits die zweite Spielzeit im frisch renovierten Theater an der Wien präsentiert, die wiederum spannendes Musiktheater verspricht.

Im Wesentlichen, so der Intendant, leistet das Musiktheater einen wesentlichen Beitrag in derzeit schwierigen Zeiten, um etwas „Licht ins Dunkel“ zu bringen. Auffällig an der kommenden Spielzeit 2025/2026 ist die enorme Spannweite des Programmes von Barockoper bis Avantgarde, womit Neugierde und Glück, auch auf ironisch-doppelbödige Weise, vermittelt werden soll, so Herheim weiter.

Der Intendant selbst wird gleich zu Beginn der neuen Saison im Oktober 2025 und damit rechtzeitig zum 200. Geburtstag des Walzerkönigs die wohl populärste Operette überhaupt, DIE FLEDERMAUS von Johann Strauss, inszenieren und ist zu erwarten, dass der hochintellektuelle Regisseur mit seiner Regiearbeit wie schon des Öfteren u. a. an die Geschichte des Werkes gerade an diesem Haus anschließen wird. Am Pult der Wiener Symphoniker wird deren Chefdirigent Petr Popelka stehen.

Am Rande der Spielzeitpräsentation fand der Intendant liebenswürdigerweise auch noch Zeit für ein Gespräch mit SIMPLY CLASSIC.

 

SIMPLY CLASSIC (SC): Zunächst einmal herzliche Gratulation! Die Rückübersiedlung vom MusikTheater an der Wien aus dem Museumsquartier ins Stammhaus hat ja planmäßig stattgefunden. Wie wird das neue Haus aufgenommen – von Publikum, Mitarbeiter*innen und Künstler*innen gleichermaßen?

Stefan Herheim (SH): Überaus positiv! Nach einer so umfangreichen Sanierung gibt es natürlich einige Kinderkrankheiten, mit denen wir uns abmühen. Das ändert aber nichts an der Begeisterung für den Glanz, in dem das älteste, schönste und eigentümlichste Theater Wiens neu erstrahlt.

SC: Welche Werke werden Sie außerhalb von Wien in der nächsten bzw. in den nächsten Saisonen an welchen Häusern inszenieren?

SH: Mit der Intendanz habe ich mich dem MusikTheater an der Wien auch als Regisseur ganz verschrieben und mache auswärts nur Übernahmen von Koproduktionen, die hier entstanden sind. So läuft gerade jetzt mit großem Erfolg meine Inszenierung von Leos Janàceks „Das schlaue Füchslein“ in Oslo.

SC: Von Richard Wagner, meinem Lieblingskomponisten, was Musiktheater betrifft, haben Sie alle Werke – „Holländer“ sowie „Tristan und Isolde“ ausgenommen – inszeniert. Die Hoffnung, dass Sie die beiden genannten noch machen, bleibt aufrecht bzw. darf ein Wunsch diesbezüglich geäußert werden?

SH: Wenn ich je „Tristan und Isolde“ inszeniere, dann als alter Herr mit einer musiktheatralen Erkenntnis, zu der ich erst noch gelangen muss. Dass ich den „Holländer“ noch nicht gemacht habe, ist eher terminlichen Zufällen geschuldet. Es ist ein Stück, das ich gerne auf der Bühne sehe.

SC: Was darf man unter „musiktheatralen Erkenntnis“ im Zusammenhang mit „Tristan und Isolde“ verstehen?

SH: Wenn man dieses Werk hört, macht vor allem die Musik so unfassbar viel mit Einem. Ich sehe derzeit noch keine Szene vor meinen Augen, wenn ich diese unglaublich großartige Musik höre. Im Grunde kann man dieses Stück gar nicht inszenieren.

SC: „Die Meistersinger von Nürnberg“ würden Sie ja gerne noch einmal mit einem auf period instruments spielenden Orchester machen. Gibt es dafür bereits Pläne bzw. ist eine solche Produktion sogar für das Theater an der Wien angedacht?

SH: Ich träume immer wieder davon mit meinem Team am Theater an der Wien. Tatsache ist, dass eine solche Produktion dieses Werks so viel wie drei andere Produktionen bei uns kosten würde. In der momentanen Finanzlage könnten wir uns das also nur mit einem sehr großzügigen Sponsor leisten.

SC: Mein Blog soll sehr stark junge Menschen ansprechen: Darf ich bitten, Ihr an der Deutschen Oper Berlin realisiertes Konzept für Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ in ein paar Sätzen darzulegen?

SH: Unser Konzept für den „Ring“ in Berlin entstand, als die erste große Flüchtlingswelle über Europa hereinbrach. Im Werk Wagners, der selbst viele Jahre auf der Flucht war, steht der Verlust von Heimat und somit die Sehnsucht nach Glaube, Liebe und Hoffnung im Zentrum.

SC: Bedingt durch die Sanierungsarbeiten am Haus konnten die ersten beiden ursprünglich noch für 2024 geplanten Premieren – Wolfgang Amadeus Mozarts „Idomeneo“ und Robert Schumanns „Das Paradies und die Peri“ – nur konzertant aufgeführt werden. Ist daran gedacht, diese Produktionen in den nächsten Spielzeiten szenisch nachzuholen?

SH: Schumann definitiv ja, was Mozart betrifft, wahrscheinlich. Ich wollte „Idomeneo“ ja selbst inszenieren. Mein ursprüngliches Konzept kann aber nicht in der geplanten Form umgesetzt werden, weshalb es diesbezüglich noch einiger Überlegungen bedarf.

SC: „Musik ist eine heilige Kunst!“ Gilt das auch für Stefan Herheim?

SH: Sofern sie Menschen zu besseren Menschen macht, ja.

SC: Herzlichen Dank für das Gespräch.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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