Die Oper Leipzig ist ebenfalls Teil des Schostakowitsch Festivals 2025 in Leipzig. Am 29. Mai steht in der Oper Leipzig „Lady Macbeth von Mzensk“, die Oper in vier Akten und neun Bildern, mit der Musik von Dmitri Schostakowitsch, dem Libretto von Alexander Preis und vom Komponisten nach der gleichnamigen Erzählung von Nikolaj Leskow, auf dem Programm. Das elend trostlose, 1934 uraufgeführte Stück handelt von der unterdrückten wie vernachlässigten Kaufmannsgattin Katerina Lwowna Ismailowa, die, ähnlich getrieben wie William Shakespeares Lady Macbeth in dessen Tragödie „Macbeth“, zur dreifachen Mörderin wird.
Der herausragende Eindruck, welchen das Gewandhausorchester und sein amtierender Gewandhauskapellmeister – welch‘ unglaubliche Leistung vollbringt Andris Nelsons doch im Rahmen des Festivals im Hinblick auf Quantität wie Qualität seiner Dirigate – im Gewandhaus hinterlassen, setzt sich in der Oper nahtlos fort. Das in allen Positionen erstklassig besetzte, blendend disponierte Orchester plus geteilter Blaskapelle aus beiden Logen zieht unter seiner souveränen Stabführung alle Register, indem es weint, schreit, stampft, hämmert, kracht, knirscht, keucht, stöhnt, bohrt, bisweilen knapp unter dem akustischen Schmerzpegel, um im nächsten Moment wieder so unendlich zart, beinahe unhörbar, zu artikulieren, wie man es selten zu hören bekommt. Rohe Gewalt neben sinnlichem Glanz, ganz der kontrastreichen Partitur entsprechend, wird derart famos vermittelt. Den Duktus und die idiomatische Stimmung dieser Musik trifft Nelsons auf den Punkt, als möchte er dem Publikum vermitteln, es müsse Katerina nicht verzeihen, aber ihr Handeln verstehen. Andris Nelsons ist mittlerweile zu einem allerersten Dirigenten gereift: empathischer kann man kaum Musik machen: Von Katharinas immenser Einsamkeit der ersten Szene – „Ach ich kann nicht mehr schlafen … eine Trostlosigkeit, dass man sich erhängen könnte …“ – bis vor ihrem Selbstmord, wo dieselbe Stimmung wiederkehrt, – „Im Wald, tief im Dickicht, gibt es einen See, ganz rund und sehr tief, und sein Wasser ist schwarz, so wie mein Gewissen, schwer.“ – formt er am Pult einen nie nachlassenden Spannungsbogen. Und man hört in dieser Interpretation wirklich diese permanent bedrohliche, latente Angst, für sein Handeln entdeckt zu werden, was dreieinhalb Stunden lang unter die Haut zu gehen scheint – und das Gefühl vorwegnimmt, das den Komponisten selbst befallen hat, als er zwei Jahre nach Uraufführung der „Lady“ während des Stalinismus in Ungnade gefallen ist.
Der Chor und der Zusatzchor der Oper Leipzig wurden von Thomas Eitler-de Lint einstudiert und präsentiert feinen, differenzierten Chorgesang, von zart leise bis hin zu mächtigen chorischen Ausbrüchen. Was die stimmlichen Leistungen der SängerInnen in den Hauptrollen betrifft, darf sich das Publikum in dieser Vorstellung über exzellente Kräfte freuen. Eine gelungene Charakterstudie von einem impotenten, schwachen, versoffenen Kaufmann Sinowij Borissowitsch Ismailov gelingt mit betont greinendem, bewusst blassen Spieltenor Matthias Stier. Dem immer noch potenten, geil aufgeblasenen, niederträchtigen alten Kaufmann Boris Timofejewitsch Ismailov stattet Dmitry Belosselskiy mit sattem, bedrohlich tönendem Bass aus. Pavel Cernoch gestaltet einen mit seiner Potenz protzenden, brutalen Sergej; sein betont aufgeblasener, zuweilen schmelzreicher, penetrant durchschlagskräftig klingender Tenor passt wunderbar zu dieser unsympathischen Rolle. Sehr gelungen auch das starke, intensive Rollenporträt von Kristine Opolais in der Titelpartie. Gewiss, die hohen Töne müssen unentwegt erkämpft werden, vor allem vor der Pause, im zweiten Teil gelingt dies der Sängerin dann besser; aber welcher Ausdruck, welches Gefühl schwingt in ihrer Rollengestaltung mit. Und dort, wo sie ihre Sopranstimme so richtig in der Mittellage strömen lassen kann, blüht die Stimme zuweilen auch förmlich auf. Kristine Opolais durchlebt und durchleidet bewegend die Partie der Lady Macbeth aus dem russischen Landkreis Mzensk.
„Lady Macbeth von Mzensk“, dieses im Grunde hoffnungslose Stück, wird von Regisseur Francisco Negrin an einem zeitlosen, an eine permanent gegenwärtige Fabrik erinnernden Ort angesiedelt. Personenregie und Personenführung geraten einfach, deutlich, drastisch. Das Bühnenbild stammt von Rifail Ajdarpasic, im Zentrum steht ein im Verlauf der Handlung nach und nach zerbrechendes „Fabergè-Ei“, ein russisches, historisch stark aufgeladenes Symbol. Die Allegorie als Stilmittel der Inszenierung ist auch Stilmittel für die Kostüme von Ariane Isabell Unfried, die ebenso wenig realistisch, noch eindeutig zeitlich gebunden sind. Diese Inszenierung, im Grunde eine symbolhafte Collage, worin alle dem Untergang geweiht sind, ist aus Text und vor allem der Musik eindrucksvoll entwickelt – und deshalb ganz nahe an Schostakowitsch‘ Werk.
Am Schluss gibt es für eine rundum geglückte Aufführung lautstarken Jubel für alle vom Leipziger Publikum, vor allem für Kristine Opolais und Andris Nelsons, der an diesem Abend zum ersten Mal überhaupt sein Gewandhausorchester im Graben der Leipziger Oper dirigiert hat.