Beim Wiener CD-Label GRAMOLA ist anlässlich des Jubiläumsjahres 2024 des großen oberösterreichischen Symphonikers Anton Bruckner eine CD-Edition mit seinen sämtlichen Symphonien, alles unter der Leitung des Dirigenten Rémy Ballot „live“ in der Stiftsbasilika St. Florian aufgenommen, erschienen. Der Zyklus gilt mittlerweile als eine Referenzaufnahme, Ballot hat für seine Einspielungen der Symphonien Bruckners zahlreiche Auszeichnungen gewonnen. Seit 2024 ist der seit 2004 in Wien lebende französische Geiger und Dirigent Conductor in Residence der Richard-Strauss-Tage.
Bei GRAMOLA liegen seit ein paar Jahren auch Aufnahmen von symphonischen Werken der Wiener Klassik unter Rèmy Ballot vor, die mit dem Klangkollektiv Wien im Lorely-Saal in Wien Penzing 2018 und 2019 aufgenommen wurden. Die Akustik in diesem 300 Quadratmeter großen, 8 Meter hohen Saal sorgt für eine warmen Orchesterklang ohne starken Nachhall: Franz Schuberts großartige Musik kann sich so wunderbar entfalten, was auch von der Aufnahmetechnik klangtechnisch sehr gut auf CD eingefangen wird.
„Meine Erzeugnisse sind durch den Verstand für Musik und durch meinen Schmerz vorhanden …“, lautet ein Eintrag Schuberts aus 1824 in sein Tagebuch. Die ganze Trauer und das schon beklemmende, menschliche Leid, den dieser Komponist in Töne zu setzen vermochte, erfasst Ballot mit der kleinen, ungemein motivierten Formation zur Gänze und bringt die Symphonie Nr. 7 (8) h-moll D. 759, die „Unvollendete“, mit seiner schwebenden Wiedergabe genau auf den Punkt. Ebenso das Jugendwerk des 16-jährigen Schubert, die Symphonie Nr. 1 D-Dur D. 82, die in ihrem Schwung an Felix Mendelssohn-Bartholdys jugendliche Streichersymphonien erinnert und wo Ballot auch die bereits hier vorhandene, dunkle Melancholie von Schuberts Musik werkimmanent deutlich betont. Man darf sich wünschen, dass GRAMOLA auch noch die restlichen Symphonien Schuberts mit diesem Orchester unter Rèmy Ballot einspielt und veröffentlicht.
Erfrischende Sichtweisen liefert der Dirigent mit dem Klangkollektiv Wien auch auf zwei weitere Meisterwerke des musikalischen Klassizismus: Die Symphonie Nr. 101 D-Dur Hob. I:101 „Die Uhr“ von Joseph Haydn wie auch die Symphonie Nr. 41 C-Dur KV 51 „Jupiter“ von Wolfgang Amadeus Mozart erklingen in transparenter Frische, wobei auch die die Größe und Tiefe dieser Meisterwerke nie vernachlässigt wird.
Erfreulich an diesen gelungenen Einspielungen ist auch der Umstand, dass weder Dirigent noch Orchester bestrebt sind, sich durch übermäßig harsche Akzentuierungen oder schwindelerregende Tempi in die Reihen der historischen Aufführungspraxis zu verlieren.
Franz Schubert, Symphonien Nr. 1 und 7(8), Gramola 99180; Joseph Haydn, Symphonie Nr. 101 + Wolfgang Amadeus Mozart, Symphonie Nr. 41, Gramola 99239, Klangkollektiv Wien, Rèmy Ballot