„Meine Musik sagt eigentlich alles. Es braucht keine historischen oder hysterischen Kommentare.“
„Musik ist ein Mittel, das dunklen Dramatismus und pure Entrückung, Leiden und Ekstase, feurige und kalte Wut, Melancholie und wilde Heiterkeit zum Ausdruck bringen kann – und die subtilsten Nuancen und das Zusammenspiel dieser Gefühle, deren Ausdrucksstärke in Malerei und Skulptur unerreichbar ist.“
„Ein großartiges Musikstück ist wunderschön, unabhängig davon, wie es aufgeführt wird. Jedes Präludium oder jede Fuge von Bach kann in jedem Tempo gespielt werden, mit oder ohne rhythmische Nuancen, und es wird immer noch großartige Musik sein. So sollte Musik geschrieben werden, damit niemand, egal wie philisterhaft, sie ruinieren kann.“
Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch, von dem diese drei Zitate stammen, wird gern als das „Gewissen des russischen Volkes“ bezeichnet. Der geniale Komponist – einer der großen Tonschöpfer des 20. Jahrhunderts und der wohl bedeutendste Symphoniker der Moderne – war einerseits gezwungen, der sowjetischen Macht zu dienen, andererseits besaß er die Gabe, mit seiner Musik die Wahrheit zu sagen, ist doch seine unglaubliche Musik, in der immer eine latente Bedrohung spür- wie hörbar ist, voll von Tragik, Hass, Spott, Groteske, Ironie, Lyrik, Doppeldeutigkeit, Angst, Protest, Zitaten, voller unausgesprochen ausgesprochener fundierter Gedanken und tief empfundener Gefühle.
Der am 25. September 1906 in St. Petersburg geborene und am 9. August 1975 in Moskau gestorbene Komponist geriet in die Klauen des Stalinismus – das Regime bedachte ihn einerseits mit den höchsten Ehrungen seiner Heimat, darunter den Stalin- und Lenin-Preis, andererseits aber auch mit wildesten Schmähungen. Im Zuge der stalinistischen Säuberungen geriet er unter heftigen Beschuss und war jahrelang von Repressalien bedroht, die Todesangst begleitete ihn sein ganzes Leben.
1936 liegt er wegen eines Zeitungsartikels – „Chaos in der Musik“ – in der „Prawda“ beispielsweise nächtelang wach in seiner Wohnung in Leningrad, den gepackten Koffer griffbereit unter seinem Bett, weil er jederzeit die Abholung durch die Geheimpolizei erwartet, die ihn nach Verhören in den Gulag bringt, um dort ermordet zu werden.
Von 1937, nach einer ersten offiziellen Rehabilitierung, bis 1948 unterrichtete er am Konservatorium in Leningrad, ab 1948 am Konservatorium in Moskau. Wie kein anderer Komponist sah er sich in eine derart politische Rolle gedrängt: Seine Kompositionen wurden weltweit, außerhalb der Sowjetunion, frenetisch gefeiert, er selbst hingegen lebte in seiner Heimat in ständiger Angst vor Verhaftung und durchlitt Phasen tiefster Verzweiflung – diese beklemmenden Zustände mögen wohl Grund wie Auslöser für seine letale Herzkrankheit gewesen sein.
1948 wurden die Vorwürfe von 1936 wiederholt. Schostakowitsch ging in die „innere Emigration“, auf – gezwungenen – Auslandreisen erweckte er den Eindruck von Regimetreue. Nach Stalins Tod 1953 setzte auch für ihn ein „Tauwetter“ ein, er stieg zu hohen Ämtern auf, musste allerdings der KPdSU beitreten, was er sich nie verziehen hat. 1957, mit der Uraufführung seiner 11. Symphonie, wird er endgültig rehabilitiert.
Neben seinen 15 Symphonien – hervorzuheben die Nummern 4, 5, 7, 8, 10, 11 und 13 – schuf er vor allem großartige Klavier- und Kammermusik, darunter 15 Streichquartette, nicht zu vergessen die Oper „Lady Macbeth von Mzensk“.
„Die letzte persönliche Begegnung für mich war in Ost-Berlin, wo er mich in meiner Wohnung besucht hat. Und als der Fahrstuhl aufging, passierte etwas, was ich nie vergessen werde. Er gab mir seine rechte Hand und hielt sie mit der Linken. Er war sehr krank und ja, meiner Meinung nach war er von seinem Leben in diesem Regime erledigt.“ (Thomas Sanderling, Dirigent und Sohn des Dirigenten Kurt Sanderling, wie sein Vater Freund von Dmitri Schostakowitsch).
Zum Schluss soll noch einmal der Komponist selbst zu Wort kommen:
„Mein Ziel war immer und wird es immer sein, Patriotismus in der Musik darzustellen. Kein musikalisches Werk kann ohne Patriotismus auskommen. Beethoven zum Beispiel hätte seine großartigen Symphonien wohl kaum schreiben können ohne Patriotismus, ohne, dass er fortschrittliche Gedanken und Auffassungen gehabt hätte – oder Schubert, Schumann, Mussorgsky, Glinka, Tschaikowski. Ob ein Komponist immer erfolgreich darin ist, im Namen seines Volkes zu sprechen, bin ich nicht sicher – aber ich persönlich versuche es immer. Ich denke, ein Komponist muss das tun! Ich glaube, meine Pflicht ist es, für das Volk, im Namen des Volkes zu sprechen.“
Die Musikwelt gedenkt heuer Dmitri Schostakowitschs 50. Todestages.