Zum Saisonstart im Wiener Musikverein gastieren die Münchner Philharmoniker unter ihrem designierten Chefdirigenten Lahav Shani, derzeit Chef beim Rotterdam Philharmonic Orchestra und beim Israel Philharmonic Orchestra. In seiner Ansprache zur Saisoneröffnung zu Beginn des Konzertes am 20. September im Großen Saal weist Intendant Dr. Stephan Pauly mit deutlichen Worten darauf hin, dass sich der Dirigent stets für Verbrüderung und Frieden im Nahen Osten eingesetzt hat, weshalb die Tatsache, dass er mit dem Münchner Orchester vor ein paar Tagen beim Gent Festival van Vlaanderen ausgeladen worden ist, weil er sich angeblich zu wenig von der Politik Benjamin Netanjahus distanziert hat, auf das Schärfste zurückzuweisen ist.
Ein Teil des Publikums sieht das bedauerlicherweise anders: Während des ersten Satzes im Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 von Ludwig van Beethoven kommt es plötzlich vom Stehplatz zu mobartigen Störaktionen, palästinensische Fahnen werden ausgerollt, Rufe „Free Gaza“ gellen durch den Goldenen Saal, die Saalordner wirken überfordert. Lahav Shani und die Solistin Lisa Batiashvili bleiben von der völlig unnötigen Störaktion zunächst komplett unbeeindruckt, musizieren mit stoischer Ruhe einfach weiter und liefern damit die wohl beste Reaktion auf solch‘ plumpen Aktionismus. Weitere, laute „Peace“-Schreie erzwingen dann doch eine kurze Unterbrechung, nach Abwarten des radauartigen Eklats wird aber sofort weiter konzertiert.
Batiashvili auf ihrer edlen, volltönenden, klangintensiven 1739 gebauten Violine von Joseph Guarneri del Gesù und Shani bewegen mit einer ungemein tief empfundenen Interpretation des Violinkonzertes von Beethoven, im ersten Satz wird die spannende Kadenz von Alfred Schnittke gewählt. Trotz der Störung wird in großen, spannungs- wie energiegeladenen Bögen musiziert und entspinnen sich herrliche Dialoge zwischen dem Soloinstrument und dem Orchester. Die Solistin leuchtet die Stimmungen des Konzerts mit seinem unverwechselbaren Gepräge ungemein differenziert aus und begeistert das Publikum mit ihrer intelligenten, innigen und technisch brillanten Interpretation. Dass es nach der Wiedergabe des Konzertes keine Zugabe gibt, ist ob der verursachten Aufregung nur allzu verständlich.
Zu den letzten Werken von Sergej Rachmaninow zählen die Symphonischen Tänze für Orchester op. 45, gewidmet Eugene Ormandy und dem Philadelphia Orchestra, die das Werk auch 1941 zur Uraufführung brachten. Das einfallsreich instrumentierte Werk – neben stark besetztem Schlagwerk kommt auch ein Altsaxophon zum Einsatz – ist bei Shani und dem Münchner Orchester in sehr guten Händen. Die populären Tanzformen werden brillant zu Gehör gebracht, das Orchester ist in allen Instrumentengruppen sehr gut disponiert. Aufbrandender Applaus naturgemäß nach dem strettaartig gesteigerten Ende, dem eine wunderbar gespielte, friedvoll berührende Zugabe – „Nimrod“ aus den „Enigma Variations“ op. 36 von Sir Edward Elgar – folgt.