Riccardo Muti dirigiert in Salzburg Anton Bruckner mit höchster Spiritualität

Traditionell an Ferragosto in Salzburg: Riccardo Muti am Pult der Wiener Philharmoniker © SF/Marco Borrelli

Ferragosto in Salzburg, Maestro Riccardo Muti dirigiert traditionell die Wiener Philharmoniker, die ihm bereits 2011 die Ehrenmitgliedschaft verliehen haben. Seine Auftritte am Pult dieses Orchesters haben – zu Recht – bereits Kultcharakter, diesem Umstand wird auch heuer in der Matinèe am 15. August 2025 bei den Salzburger Festspielen vollkommen entsprochen.

Und Riccardo Muti macht es wieder einmal weder sich noch dem Publikum leicht, steht doch nach der Pause, im zweiten Teil dieses langen Konzertes die Messe Nr. 3 f-moll WAB 28 für Soli, vierstimmigen gemischten Chor und Orchester von Anton Bruckner als Hauptwerk auf dem Programm. Vieles in diesem herrlichen Werk spricht von einer typisch symphonischen Konzeption, auch wenn der Vorrang des Vokalen bei voller Präsenz des sakralen Textes immer gewahrt bleibt. Bruckners auch in diesem Werk naturgemäß ausgeprägt deutliche Gottesverherrlichung wird von Muti mit einer tiefempfundenen Spiritualität erfasst und wiedergegeben. Spannungsgeladen, mit der nötigen Zeit und schier unendlich differenziert führt er das blendend gestimmte Orchester und die von Ernst Raffelsberger bestens präparierte Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor durch das impulsreiche Opus, wodurch die liturgischen Texte noch deutlicher erfassbar werden. Bruckner bündelt viele Einflüsse – Gregorianische Choräle, Beethovens „Missa solemnis“, Schuberts Messen D 678 und D 950 – zu einer durch und durch eigenständigen Komposition, archaisch, mit der Dynamik der Spätromantik, durchaus theatralisch, mit säkularen Zügen: selten wird das interpretatorisch so deutlich herausgearbeitet wie an diesem Salzburger Mittag, wenn Muti diese Messe, die öfter im Konzertsaal als im Sakralraum aufgeführt wird, in beispiellos vollendeter Schönheit wie reich an dramatisch aufgeladenen Ecken und Kanten in ihrer ganzen Größe und Pracht erklingen, erstrahlen lässt. Bruckners Ausdrucksgebärden stehen in Vollendung hochexpressiv nebeneinander: demütiges Flehen und triumphale Klangsteigerungen, mystische Dunkelheit wie fromme Helligkeit, kontrapunktische Erhabenheit und symphonisches Pathos lässt Muti eindrucksvoll vernehmen. Zu Höhepunkten, die besonders herauszugreifen sind, geraten die das „Gloria“ beschließende Fuge, das felsenfeste Glaubenszuversicht verkündende, gewaltige „Credo“ mit einem beispiellosen Jubel verströmenden Resurrexit-Teil, die höchst kantabel geführten Chöre der Celli im feierlich innigen „Benedictus“ sowie das abschließende, flehentliche „Agnus Dei“. Die Soli – Ying Fang (Sopran), Wiebke Lehmkuhl (Alt), Pavol Breslik (Tenor) und William Thomas (Bass) – fügen sich unauffällig im Dienst ihrer Aufgaben in das Ganze ein, Riccardo Muti hat auch mit dieser Messkomposition von Bruckner interpretatorische Maßstäbe gesetzt.

Im ersten Teil des Konzertes vor der Pause ist ebenfalls ein Werk eines genuin österreichischen Komponisten zu hören – die Symphonie Nr. 4 c-moll D 417, die „Tragische“, des bei ihrer Entstehung neunzehnjährigen Franz Schubert. Muti setzt auf eine große Streicherbesetzung, weich grundiert, in klassischer Ausgewogenheit erklingt das schöne Werk, vor allem betont er die unglaubliche Tiefe dieser Symphonie, die ganz auf den Finalsatz hin ausgerichtet ist.

Jubel vom Publikum gibt`s schon vor der Pause, der sich am Schluss noch steigert: Der 84jährige, ungemein vital wirkende Maestro möge Salzburg Mitte August noch lange beehren.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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