Im Opernprogramm der diesjährigen Salzburger Festspiele ist der Tod allgegenwärtig – die Opera seria in drei Akten HWV 17, GIULIO CESARE IN EGITTO, von Georg Friedrich Händel, mit dem Libretto von Nicola Francesco Haym, zeigt den Titelhelden noch als Feldherren auf Freiersfüßen am Nil vor seinem späteren, unausweichlichen Ende in Rom. Scharfe Rivalitäten wie jene zwischen Cäsar und Pompeius bildeten die Grundlagen der antiken römischen Gesellschaft wie auch jene der elisabethanischen Gesellschaft Großbritanniens unter hannoveranischer Herrschaft. Die Kultur Englands spiegelt sich im Rom der Antike – welch‘ spannender Inszenierungsansatz ließe sich daraus für Händels 1724 im King`s Theatre in London uraufgeführtes Meisterwerk herleiten und auf der Bühne modern wie zeitgemäß umsetzen.
Bei Dmitri Tcherniakov (Regie und Bühne) mit seinen bewährten Unterstützern – Elena Zaytseva (Kostüme) und Gleb Filshtinsky (Licht) – im Verein mit Tatiana Werestchagina (Dramaturgie) sind im Haus für Mozart weder antike Helden noch elisabethanische Adelige, sondern heutige Menschen mit ihren Instinkten, Leidenschaften und Intrigen zu sehen, auf einer Bühne, die so weit als möglich in den Zuschauerraum vorgeschoben ist, dass das Publikum die Handlung, worin Machtspiele dominieren, möglichst intensiv mitverfolgen kann. Mag das Konzept dieser Neuproduktion zwar interessant wirken, allein die Umsetzung gerät befremdlich. Tcherniakov verlegt die Handlung nämlich in einen Katastrophenbunker, sämtliche Personen sind ständig gegenwärtig, seine Personenregie und Personenführung sind wie immer schauspielerisch exzeptionell, was der öde Bunker allerdings mit dem Stoff überhaupt und psychologisch fundierter Entwicklung der handelnden Personen zu tun haben soll, erschließt sich in diesem trostlos desolaten Ambiente leider nicht. Folgerichtig kann sich der Regisseur auch nicht mit Händels glücklichem Ende abfinden: Gesungen wird von Frieden, Freundschaft und Freiheit, alle sitzen aber deprimiert mit hängenden Köpfen an der Rampe. Überzeugend schlüssige Regiearbeiten, entwickelt aus der Musik, sehen anders aus. Die Dramaturgie von Händels Meisterwerk lebt von der Spannung zwischen leichten und dramatischen Szenen, die ständig neue Emotionen präsentieren. In Tcherniakovs Bunker wird dieser Umstand nicht nachvollziehbar, vor allem bringt er die ZuschauerInnen um Händels grandioses Schlussbild, ein Tableau höfisch-exotischer Pracht, dessen musikalischer Charakter sich auch in der Szene widerspiegeln sollte.
Was die Musik betrifft, ist GIULIO CESARE eine von Händels besten Partituren, weil höchst abwechslungs- wie farbenreich. Weil die Musik auch so emotional und vielfältig ist, zählt das Stück auch zu seinen beliebtesten Opern. Emmanuelle Haim, musikalische Leiterin und am Cembalo von Le Concert d’Astrèe, dem von ihr 2000 gegründeten Barockensemble, setzt ganz auf den kostbaren Reichtum dieser wunderbaren Musik und lässt sie edel und warm verströmen, setzt gezielt auf feine Lyrik wie dramatische Akzente und macht das Stück in einem nie nachlassenden Fluss zum Ereignis.
Auf der Bühne ist eine überwiegend sehr gute Besetzung zu erleben. Entsprechend aufwühlende Passagen des Werkes sind immer geeignet, das Können der SängerInnen zu demonstrieren, darüber hinaus gibt es auch tiefgehende Charakterschilderungen. Herausragend agieren im Hinblick auf diese Vorgaben Christophe Dumaux, der die halsbrecherische Titelpartie mit geschmeidigem, bestens fokussiertem, sehr sinnlich timbriertem Countertenor virtuos meistert wie bewegend zu gestalten weiß, und Olga Kulchynska als attraktive Cleopatra, deren fein schimmernder Sopran in den gefühlvollen Passagen ungemein berührend klingt. Einen starken Eindruck hinterlässt auch Lucile Richardot mit satt kräftigem Mezzosopran als Cornelia, Sopranist Federico Fiorio überzeugt mehr in den zart leisen Passagen denn im dramatischen Furor als Sesto, gut gelingt auch Countertenor Yuriy Mynenko die Partie des Tolomeo, stimmlich unauffällig agieren Andrey Zhilikhovsky (Achilla), Jake Ingbar (Nireno) und Robert Raso (Curio). Am 11. August 2025, in der fünften von insgesamt sieben Vorstellungen der Serie, spendet das Publikum den Ausführenden lautstarken Applaus.