Im Rahmen eines breit gefächerten Schwerpunktes D-S-C-H gedenken die Salzburger Festspiele des 50. Todestages von Dmitri Schostakowitsch am 9. August 2025 und steht als Hauptwerk der Matinee der Wiener Philharmoniker am 10. August 2025 im Großen Festspielhaus im Salzburg die Symphonie Nr. 10 e-moll op. 93 des großen russischen Komponisten, uraufgeführt im Dezember 1953 im Großen Saal der Leningrader Philharmonie unter Jewgeni Mrawinski, auf dem Programm.
Kompakt, kraftvoll, zwingend, aus einem Guss, lange Bögen spannend, bohrend wie transparent, gerät die Interpretation von Andris Nelsons, das Orchester zeigt sich in allen Instrumentengruppen hervorragend aufgestellt und brillieren die philharmonischen Solisten in ihren Aufgaben. Die Stimmung des langen ersten Satzes – ständig drohende Bedrängnis, dumpfes Brüten, unentwirrbares Grübeln – wird in der Interpretation von Nelsons beinahe schon unerträglich, so gekonnt vermittelt der lettische Dirigent das Wesen dieser Musik. Ob die hämmernde Groteske des zweiten Satzes nun wirklich das Porträt Stalins – das Ableben des Diktators Anfang März 1953 war zweifellos eine Zäsur im Leben des Komponisten – darstellt oder nicht, sei dahingestellt: Die brutale Tonsprache wird durch den edlen Klang des Orchesters ein wenig abgefedert, schneidend, grell, gleißend, klingt es allemal, auch wenn der Dirigent hier nicht vordergründig auf martialischen Lärm setzt, sondern das Orchester auch in seiner ganzen Klangkultur walten lässt, was den kurzen Satz vielleicht noch ein wenig böser, hintergründiger als gewohnt macht. Wie in anderen Werken auch, arbeitet Schostakowitsch im dritten Satz mit dem Motiv D-Es-C-H, das die musikalische Umschreibung seiner Initialen darstellt, zusätzlich mit einem weiteren Monogramm aus Tonbezeichnungen, E-La-Mi-Re-A, gemeint ist die Komponistin und Pianistin Elmira Nazirova, eine Muse des Komponisten aus Aserbaidschan. Der Dirigent betont hier das mahlerähnliche der Musik, um den vierten und letzten Satz in seiner sonderbar überdrehten Ausgelassenheit, seinem Gerassel des Irrsinns, interpretatorisch ganz in seiner Zweideutigkeit zu erfassen, handelt es sich dabei doch nur um eine stark eingeschränkte, freudige Manifestation. Der Jubel des Publikums nach dieser denkwürdigen Aufführung dieses Werkes in der Interpretation eines der gewiss besten Schostakowitsch-Dirigenten unserer Zeit gerät überaus heftig.
Vor der Pause ist noch eine andere „Zehnte“ zu hören, der erste Satz, Adagio, aus der Symphonie Nr. 10 Fis-Dur von Gustav Mahler. Noch einmal, nach seiner neunten Symphonie, lässt Mahler hier das 19. Jahrhundert verklingen, verlöschen. Ätherisch schön lassen die Wiener Philharmoniker dieses Weltabschiedswerk verströmen, die Dissonanzen könnten allerdings härter daherkommen, nähert sich Mahler in diesem Werk doch auch bereits dem Expressionismus von Arnold Schönberg an: des Komponisten Liebeskummer über die Affäre seiner Frau Alma mit Walter Gropius gerät an diesem Vormittag gedämpft, die Dissonanz in der Musik wenig harsch.