Bayreuther Festspiele 2025 II – DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG

In Bayreuth gerät die Neuinszenierung von DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG zum Klamauk © Thomas Rauchenwald

Die diesjährige Neuinszenierung der Bayreuther Festspiele gilt Richard Wagners Oper in drei Akten DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG. Nach den beiden letzten – betont politischen wie intellektuellen – Inszenierungen von Katharina Wagner und Barrie Kosky sollte dieses Mal ein anderer Inszenierungsansatz gewählt werden, wozu sich Regisseur Matthias Davids, seit 2012 künstlerischer Leiter der Sparte Musical am Musiktheater Linz, im Vorfeld der Premiere gewiss fundierte Gedanken gemacht hat: Im Wesentlichen sei das Werk für ihn eine „kolossale Komödie“, von Wagnerschen Selbstportraits – Schusterpoet Hans Sachs, Stadtschreiber Sixtus Beckmesser, Ritter Walter von Stolzing – strotzend, mit der Frage, wie wahrhaftiges Menschsein in einer normierten, starren Welt möglich ist, und mit der Botschaft, dass Versöhnung mit anderen möglich ist, wenn wir uns nur mit uns selbst versöhnen. Dramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz geht sogar noch weiter, wenn er in Beckmesser Züge eines gescheiterten Wagner erkennt und auf den Leidensaspekt des tiefsinnigen Werkes hinweist bzw. es zur Komödie gehört, dass einer leidet und die anderen ihren Spaß daran haben. Wären all‘ diese dichten Aspekte in der Neuinszenierung hintergründig herausgearbeitet worden und erkennbar gewesen, wäre über eine entsprechend zielgerichtete Regiearbeit gewiss angeregt zu diskutieren. Natürlich kann man das Stück als Satyrspiel, als abgründiges Lustspiel auf die Bühne bringen: Leider verkommt die grell kunterbunte Inszenierung – Andrew D. Edwards (Bühne), Susanne Hubrich (Kostüme), Fabrice Kebour (Licht) – mit ihrem betonten, schon aufgesetzt wirkenden Unterhaltungswert überwiegend zu beispiellosem Klamauk. Was Personenregie und Personenführung anbelangt, gerät die Regiearbeit zwar ungemein bewegungsreich, aus der Musik entwickelt, entbehrt jedoch jeglicher psychologisch fundierten Subtilität. Die drei wesentlichen Elemente des Werkes – das historische Nürnberg des 16. Jahrhunderts mit Meistergesang und Zünften, das Johannes-Mysterium sowie die Entsagungsthematik – bleiben beinahe zur Gänze auf der Strecke. Zum Schluss, auf der Festwiese, wird Eva in einem überdimensionierten Blumengesteck als „Preiskuh“ vorgeführt. Ein aufgeblasenes Rindvieh prangt dann auch über der Szene, wenn beim Wettsingen Deutschland den Superstar sucht, Doubles von Bundeskanzlerin a. D. Angela Merkel und Schlageronkel Florian Silbereisen inklusive: platter, banaler geht wohl kaum. Verständlich, dass Walther auf solche Meistersinger-Ehren verzichtet und mit Eva vor dieser merkwürdigen Gesellschaft das Weite sucht.

Dass der Besuch dieser Produktion dennoch lohnt, ist der Tatsache geschuldet, dass eine Riege ausgezeichneter Sängerinnen und Sänger am Werk ist und mit einer vorbildlichen Ensembleleistung, die das Werk verlangt, in allen Besetzungen überzeugt. Scharf, pointiert die Riege der Meistersinger, an der Spitze der Nebenrollen stehen Jordan Shanahan als prägnanter Fritz Kothner und Jongmin Park als satter Veit Pogner, Tobias Kehrer gefällt als bassstarker Nachtwächter. Bewegend, berührend besetzt sind die beiden Damen: Christina Nilsson als Eva mit silbrig flutendem wie, wo nötig, bereits starkem Sopran und Christa Mayer als schönstimmige, betulich warme Magdalene. Drei Sänger dominieren den Abend: Michael Nagy als edelstimmig nobler, kantabler Sixtus Beckmesser, Michael Spyres mit wundervoller Stimme als schmelzreich strahlender, herrlich phrasierender Walther von Stolzing und Georg Zeppenfeld als sonor durchschlagskräftiger Hans Sachs, der die Höhepunkte wie den „Flieder“- und den Wahn“-Monolog genüsslich auskostet und sich die höchst komplexe wie extrem fordernde Partie so einteilt, dass er sogar noch auf der Festwiese über schier unerschöpfliche stimmliche Reserven verfügt. Alle drei genannten Sängern zeichnen sich auch durch vorbildliche Artikulation, Diktion und überlegte Rollengestaltung aus. Der neue Chorleiter Thomas Eitler de Lint hat den Bayreuther Festspielchor hervorragend präpariert, derart prächtig, mächtig schallend, bekommt man den „Wach auf-Chor“ und den Schlusschor eben nur am grünen Hügel zu hören.

Nach einem flüssigen, kammermusikalisch fein, mit geschmeidigem Klang musizierten Vorspiel verfällt Dirigent Daniele Gatti im mystischen Abgrund am Pult des Orchesters der Bayreuther Festspiele im ersten Akt leider ins Schleppen und macht sein zäher, breiiger Klang den SängerInnen Mühe. Der zweite Akt gerät ihm dann aber in vorbildlichem Parlandoton, hier ringt er förmlich um einen flüssig transparenten Klang, der die Wort- und Textverständlichkeit auf der Bühne ermöglicht, deutlich akzentuiert gelingt auch die Prügelfuge. Nach einem wehmütig schimmernden Vorspiel und einer exakt dirigierten Schusterstube gipfelt sein Dirigat in einer prächtig differenzierten, niemals laut knallender Festwiese. Donnernden Publikumsjubel gibt’s nach der Vorstellung am 5. August 2025 zu Recht vor allem für die SängerInnen.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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