Bayreuther Festspiele 2025 I – LOHENGRIN

LOHENGRIN zum letzten Mal in der überwiegend Blau gehaltenen Ausstattung von Neo Rauch und Rosa Loy am Spielplan in Bayreuth © Thomas Rauchenwald

LOHENGRIN, Richard Wagners romantische Oper in drei Akten, steht dieses Jahr zum letzten Mal in der Inszenierung des jüdisch-amerikanischen Regisseurs Juval Sharon auf dem Programm der Bayreuther Festspiele und überzeugt diese Regiearbeit in der Ausstattung des deutschen Malerehepaares Neo Rauch und Rosa Loy nach wie vor. Sharon mit sparsamer, aber zwingender Personenregie, Rauch in überwiegend bläulich gehaltenen Bildern, die Kunstwerke darstellen – „Blau“ ist ja auch die Farbe des „Lohengrin“ – und Loy in geschmackvollen, mittelalterlichen, bisweilen an Gemälde von Anthonis van Dyck gemahnenden Kostümen, erzählen in oft surrealen, ästhetisch gediegenen Bildern das Stück, wie es sein soll, als Märchen, allerdings als alptraum- wie traumartiges, wo sich Elsa in einem Emanzipierungsprozess in einer männerdominierten Gesellschaft befindet. Lohengrin als energiegeladener Heilsbringer für die ohne Energie dahindämmernde Brabanter Gesellschaft mit seinem Anspruch, unerkannt zu bleiben, hat hier keinen Platz: das Grellorange des Brautgemachs weicht wieder dem gräulichen Blau der ersten beiden Akte …

Inspiriert von diesen Bildern und wohl von Friedrich Nietzsches enthusiastischem Ausruf – „Blau, von opiatischer, narkotischer Wirkung sei diese Musik!“ – dirigiert Christian Thielemann im Rahmen seiner Rückkehr auf den Bayreuther Hügel in der Aufführung am 4. August 2025 einen impressionistisch angehauchten Wagner, lässt unzählige Farben aus dem verdeckten Graben schimmern, ist ungewohnt flüssig bereits im flirrenden Vorspiel und reizt Spannungsbögen oft bis zum Bersten aus. Durchsichtig, wohlklingend, nimmt er die Partitur, entfacht einen ungeheuren Drive, erzielt einen wogenden Sog, dem man sich nicht entziehen kann, der süchtig machen kann. Lyrik, Beseeltheit, Wärme wie der große Klang solch‘ Musizierens suchen Ihresgleichen, das Werk wird von Thielemann einfach vollendet musiziert. Zu bewundern sind da leuchtende Orchesterfarben, breit ausschwingende melodische Emphasen, gewaltig aufrauschende Streicher-Crescendi, ein fantastisch rhythmischer Schwung der Bläserfanfaren. Der Dirigent ist fortwährend um höchste Transparenz bemüht, betont stark herausgearbeitet wird die Gegenüberstellung der gleißend hellen Gralswelt Lohengrins und der dunkel finsteren Welt Ortruds – das ist musikdramatische Aktion vom Allerfeinsten. Grandios, wie gewohnt, auch die heuer zum ersten Mal von Thomas Eitler de Lint einstudierten Chöre, die plastisch differenzierten, wie es in diesem Werk sein soll, fein schwebenden wie machtvoll schallenden Chorgesang vernehmen lassen.

Und was für ein Glücksfall für Bayreuth ist doch Piotr Beczala in der Titelpartie. Der sympathische polnische Tenor triumphiert im Bayreuther Festspielhaus wieder mit wunderschöner Stimme, herrlichem Timbre, immenser Gestaltungskraft und Wortdeutlichkeit sowie perfekter Phrasierung und wunderbar bruchlosem Legatogesang ohne Tremolieren; die geforderte Attacke meistert er mit vollendeter Technik, sein Stimmorgan verfügt auch über das überirdisch Schwebende, was man in dieser Rolle doch so oft vermisst. Die Höhen von Elza van den Heever als Elsa fluten berührend, ansonsten verfügt sie aber auch in dramatischer Schärfe in ihrer Sopranstimme und singt wie gestaltet so eine durch und durch selbstbewusste, nur zu Beginn schutzbedürftige Elsa. Ortrud ist in echter Bayreuther Tradition mit einem hochdramatischen Sopran besetzt: Miina-Liisa Värelä meistert die Partie bisweilen furios mit hoher Textverständlichkeit, die überhaupt allen SängerInnen zu attestieren ist. Mika Kares ist nicht nur was seine Erscheinung betrifft, eine imposante Erscheinung, sondern beeindruckt auch mit mächtig großem, warmem Bass als Heinrich der Vogler. Friedrich von Telramund ist Olafur Sigurdarson mit markant charakteristischer, starker, bisweilen richtig giftiger Stimme. Der Heerrufer des Königs wird von Michael Kupfer-Radecky klar, hell, durchdringend gesungen. Hätte man vielleicht besetzungstechnisch den Heerrufer mit dem Sänger des Telramund und umgekehrt Telramund mit dem Sänger des Heerrufers betrauen sollen?

Das begeisterte Publikum spendet langen, tosend donnernden Beifall am Schluss einer außerordentlichen Wagner-Aufführung: Genau dafür kommt man zu den Bayreuther Festspielen!

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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