Tschaikowsky martialisch, Sibelius stimmig im Wiener Konzerthaus

Yuja Wang, Mirga Grazinytè-Tyla und die Wiener Philharmoniker im Wiener Konzerthaus © Thomas Rauchenwald

Die Wiener Philharmoniker spielen das Programm des 9. Abonnementkonzertes der aktuellen Saison auch am 6. Mai 2025 im Wiener Konzerthaus. Das Konzert wurde insofern stark beachtet, als dass mit der litauischen, in Graz und Bologna ausgebildeten Dirigentin Mirga Grazinytè-Tyla erstmals in der Geschichte des Orchesters eine Frau ans Pult im philharmonischen Abonnement eingeladen wurde. Entsprechend hoch und gespannt waren die Erwartungen, zudem mit der chinesischen Pianistin Yuja Wang eine der schillerndsten Künstlerinnen des Klassik-Betriebes mit dem Wiener Meisterorchester konzertiert hat.

Im Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-moll op. 23 von Peter Iljitsch Tschaikowsky, einem absoluten Reißer und Schlachtross des Repertoires, wird aus dem Übermaß geschöpft. Technisch präziser, brillanter, souveräner als Yuja Wang kann man das Konzert wohl nicht zum Besten geben, allerdings bleibt bei diesem Parforceritt, mit dem die Pianistin das Konzert aus dem glasklar gestimmten Steinway hämmert bzw. donnert, die Seele der Musik doch bisweilen auf der Strecke. Einzig im zarten Dialog des Klaviers mit dem herrlichen Cellosolo im zweiten Satz entfalten sich Ruhe und Stimmigkeit, ansonsten dominieren pianistische Bravour und vor allem extreme Lautstärke des Orchesters: Frau Grazinytè-Tyla findet da nicht die richtige Balance und Ausgewogenheit, die Wiener Philharmoniker klingen bei aller Klangpracht im luxuriösem Breitwand-Sound wenig differenziert. Die Pianistin steht zwar über den Dingen, bleibt immer hörbar, die nahezu martialische Interpretation fordert ihr jedoch sichtbar alles ab, sie verabschiedet sich vom heftig akklamierenden Publikum ohne Zugabe.

Die Werke von Jean Sibelius sind in den Wiener Konzertsälen noch immer nicht wirklich heimisch geworden – unverständlich, nicht nachvollziehbar im Hinblick auf den zweiten Teil des Konzertes, wo ein völlig anderer Eindruck entsteht. Die „Lemminkainen“-Suite op. 22 des großen finnischen Komponisten ist bei Dirigentin und Orchester nämlich in besten Händen, der stimmige Tonfall dieser grandiosen Musik wird subtil und punktgenau getroffen: berührend vor allem das schwermütig lockende, todessehnsüchtige Lied des Schwans von Tuonela, wunderbar vom Englischhornsolo wiedergegeben.

Höchst irritierend jedoch, warum nur drei Abschnitte der Suite – Lemminkainen und die Mädchen auf Saari, eben Der Schwan von Tuonela und Lemminkainen zieht heimwärts gespielt werden und Lemminkainen in Tuonela nicht erklingt, wodurch die Suite arg verstümmelt wird. Jedenfalls entbehrlich hingegen zu Beginn des Konzertes noch vor Tschaikowskys Klavierkonzert der belanglose „Midsummer Song“ der litauischen Komponistin Raminta Serksnytè.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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