Yannick Nèzet-Sèguin debütiert im philharmonischen Abonnement mit Beethoven und Strauss

Yefim Bronfman, Yannick Nèzet-Sèguin und die Wiener Philharmoniker © Thomas Rauchenwald

Dirigent der Wiener Philharmoniker seit 2010, 2023 leitete er auch das populäre Sommernachtskonzert des Orchesters im Garten von Schloss Schönbrunn, am 1. Januar 2026 wird er erstmals das Neujahrskonzert dirigieren, debütiert der in Montreal geborene Yannick Nèzet-Sèguin – seit 25 Jahren Leiter des Orchestre Mètropolitain Montrèal, Musikdirektor des Philadelphia Orchestra seit 2012 und der Metropolitan Opera New York seit 2018 – am 16. März 2025 nun auch in den philharmonischen Abonnementkonzerten. Und das mit einem für das Orchester urtypischem Programm.

Im ersten Teil des Konzertes wird das 1803 uraufgeführte Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-moll op. 37 von Ludwig van Beethoven gegeben, Solist am Flügel ist der in Tashkent geborene Yefim Bronfman, der mit dem Orchester bereits seit 1998 regelmäßig konzertiert. Nèzet-Sèguins Dirigat ist hier forsch im Zugriff, stark akzentuierend wie nachhaltig gestaltend, dazu tritt Bronfman mit seinem markig wie perlenden Anschlag und natürlich warmen Klavierklang in einen wunderbaren Dialog mit dem Orchester, sodass in der sonntäglichen Matinee Konzertieren in Reinkultur zu erleben ist. Kunstfertig wie fein ausgewogen gerät des Solisten Klavierspiel. Weder flüchtig oder exzentrisch, weder uninspiriert noch übertrieben, erweckt er Beethovens Schätze zum Leben, wohltuend ausgewogen in Gestaltung, Dynamik und Tempi. Ohne jeglichen Tastendonner setzt er starke wie klare, saubere Passagen, das Pedal wird zweckmäßig gestalterisch eingesetzt, ohne Passagen zu verschleiern. Vom heftig akklamierenden Publikum lässt sich Bronfman auch noch zu einer Zugabe hinreißen und gibt’s fließend schillernde „Poissons d’or“ aus IMAGES II von Claude Debussy zu hören.

In großer Formation tritt das Orchester im zweiten Teil des Konzertes nach der Pause zur Wiedergabe der 1899 uraufgeführten Tondichtung EIN HELDENLEBEN op. 40 von Richard Strauss an, die in sechs Abschnitten viel Autobiografisches aus des Komponisten Künstlerdaseins enthält. Oft als vordergründige Selbstglorifzierung missverstanden, nimmt Yannick Nèzet-Sèguin das beeindruckend instrumentierte Werk ernst, sehr ernst. Das Orchester ist in sämtlichen Gruppen an diesem Vormittag in Höchstform aufgestellt – wo auf der Welt hört man sonst noch ein derartig brillant wie gefühlvoll inspiriertes Violinsolo als das von Konzertmeisterin Albena Danailova gespielte? Der Dirigent schwelgt förmlich im philharmonischen Wunderklang, bisweilen neigt er dazu, die nahezu berauschend interpretierte Musik zu sehr zu strecken, dabei könnte manche Passage flüssiger genommen werden. Aber was tut’s: derart berührt war man schon lange nicht mehr von diesem Werk. Und wenn sich der Künstler im letzten Abschnitt „Des Helden Weltenflucht und Vollendung“ mit seiner Gefährtin zurückzieht, musiziert Nèzet-Sèguin wohl ganz im Sinne des Klangsensualisten Strauss ein wahres Idyll berückend schöner Töne, das einfach nur ergreifend ist. Dem Dirigenten gelingt ein wahrhaft glänzendes Debüt im philharmonischen Abonnement.

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Portait Thomas Rauchenwald
Thomas Rauchenwald
Autor des Blogs „Simply Classic“

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